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Dienstag, 18. August 2009

Von Carloforte nach Menorca, 3. Tag auf See

In der Nacht schläft der Wind komplett ein, das Deck ist vom Tau patschnass, die Segel flappen nervtötend. Nachdem keine Änderung in Sicht ist beschließe ich, mir eine Stunde Motorfahrt zu gönnen. Beim Starten der Höllenmaschine muss ich immer aufpassen, manchmal kommt nämlich kein Kühlwasserstrahl, sondern nur Wasserdampf. Dann heißt es sofort abstellen und neu starten. Meistens kommt so beim zweiten oder dritten Versuch dann der Kühlwasserstrahl gnädigerweise doch. Warum das so ist weiß ich nicht, ich vermute aber, der Impeller (=Teil der Wasserpumpe) ist defekt. Ich habe zwar einen Ersatzimpeller dabei, zum Austausch muss ich jedoch den Motor ausbauen – das wiederum setzt einen sicheren und ruhigen Liegeplatz voraus. Mal sehen ob ich diese Arbeit in Menorca durchführen kann. Ich starte also den Motor, durch den Schein der Stirnlampe (eine sehr praktische Erfindung!) sehe ich sofort, dass der Kühlwasserkontrollstrahl vorhanden ist – also alles in Ordnung. Nicht ganz, den gleich darauf höre ich ein bis dato noch nie gehörtes Geräusch, es hört sich wie „Brtzel, Brtzel“ an. Was ist denn jetzt schon wieder?? Schnell die Motorhaube abgenommen – was ich sehe lässt mich blitzartig zum Notausschalter und in der Folge zum Feuerlöscher greifen: Die CDI – Einheit (Elektronische „Blackbox“, wird zur Erzeugung der Hochspannung für den Zündfunken benötigt) schlägt über, d.h. Funken sprühen von dort prasselnd zu Masseteilen (blanke Schrauben, etc.,) über. Ich kann es nicht glauben, was ich da sehe. Wie kann denn das passieren? Wenn die CDI – Einheit kaputt ist kann ich Sandpiper schieben… Ich bin momentan so was von niedergeschlagen, würde am liebsten zu Fuß weitergehen…
Die Situation stellt sich mir so dar: Es ist stockfinster, der Mond, sowieso nur mehr eine schmale Sichel, geht erst gegen Morgen auf. Kein Wind, alles ist klatschnass. Besonders scharf sehen tu ich auch nicht, da meine guten Brillen ja das Zeitliche gesegnet haben. Außerdem weiß ich nicht genau was ich machen soll. Und dass gerade jetzt ein Kreuzfahrtschiff auf mich zuhält ist wieder einmal typisch… Fünf Minuten verbringe ich mit Fluchen, zehn Minuten bade ich in Selbstmitleid, dann packe ich es an: Zuerst versuche ich zwischen den Funkenflugstrecken Isoliermaterial (leere Plastiksackerln…) zu schieben, was aber nicht zum gewünschten Erfolg führt. Dann baue ich das „Funkenmariechen“ aus, was mit den vorhandenen Bordmitteln eine haarige (Zölliges Gewinde…) und zeitraubende Prozedur ist, da ein eingebauter Außenbordmotor alles andere als servicefreundlich ist. Die demutsvolle, kniende Stellung vor dem Motorschacht ist auf Dauer auch nicht gerade angenehm… Ich reinige das Ding und schabe seinen Masseanschluss mechanisch blank, säubere und trockne die Wanne des Motors und den Motor selbst um deren Leitfähigkeit zu verringern, versprühe maßvoll WD40 in der Hoffnung das es nützt, säubere die (verölten…) Kerzen und baue die Höllenmaschine wieder zusammen. Es ist jetzt ein Uhr in der Nacht, ich bin der einsamste Mensch auf der Welt. Mir tun die Knie weh, ich habe Durst und vor meinem geistigen Auge taucht wie eine Fata Morgana das Trugbild eines goldgelben, cross gebratenen Wiener Schnitzels mit warmen Kartoffelsalat auf. Ich bin so was von fix & foxi, wenn das Mistding jetzt nicht funktioniert garantiere ich für nichts mehr. Ich hole tief Luft und starte – Oh Wunder, der Motor läuft ohne Funkenflug, auch die Kühlung funktioniert. Schnell den Deckel drauf und direkten Kurs auf Menorca genommen. Wer weiß wie lange die Sache gut geht, da verfahre ich lieber das Benzin, solange der Motor noch läuft, da sowieso kein Wind weht.
Am Morgen kommt etwas Wind auf, ich ändere daraufhin Sandpipers Status von Motorbratze auf Segelschiff und kann unter Vollzeug den Kurs nach Menorca (fast…) halten.

24 Stunden – Etmal (Mittag / Mittag): 80sm, Position: N 39° 40,16’ / E 005° 22,10’

Am Nachmittag dann wieder - Flaute total. Ich reinige noch den Benzinfilter motorseitig und montiere einen neuen tankseitig – erstaunlich, wie viel Schmutz sich innerhalb nur eines Jahres in dem Filter angesammelt hat! Dann springt der Motor an als wenn nichts gewesen wäre. Hoffentlich hält dieser erfreuliche Zustand an!
Ich möchte mich wieder einmal behübschen und die Haare schneiden. Dieses Mal scheitert es am Versagen der Haarschneidemaschine – die Lager des winzigen Elektromotors sind total eingerostet und dadurch so schwergängig geworden, dass die Batterie ihn nicht mehr zum Drehen überreden kann. Wieder ein Totalverlust, seufz…
Gegen Abend schleppe ich mich mit flappenden Segeln mit zwei Knoten Fahrt über die spiegelglatte See. Ein französisches Segelschiff fährt unter Motor (Ihr habt einen dieser zuverlässigen, leistungsstarken und trotzdem unerhört sparsamen Dieselmotoren eingebaut, richtig?) in einiger Entfernung an Sandpiper vorbei, ändert aber seinen Kurs, kommt an uns heran und der Skipper fragt an, ob alles in Ordnung sei. Danke der Nachfrage, Kamerad, das nenne ich eine tolle Seemannschaft!!
In der Nacht kann ich schon die Leuchtfeuer von Menorca erkennen. Leider schleiche ich mit knapp zwei Knoten und flappenden Segeln dahin. Die Franzosen sitzen sicher schon bei einem kühlen Bier in einer gemütlichen Kneipe…