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Donnerstag, 19. Februar 2009

Heute erkunde ich die Insel – mit dem Rad. Die Augen der umstehenden Neugierigen werden immer größer, als ich aus dem Vorschiff meiner kleinen 22er ein komplettes 26 Zoll Gatschhupferradl (für nicht – Ösis: Mountainbike…) in seiner Tasche ans Tageslicht zerre und rasch zusammenbaue. Dabei erlebe ich eine böse Überraschung: Die salzhaltige Luft hat den nicht Rostgeschützten Metallteilen arg zugesetzt. Zum Glück habe ich Rostlöser und Rostschutzöl mit dabei. Auf der Fahrt Richtung Mandraki komme ich an einem (der vielen) kleinen Bunker des Militärs vorbei. Dieser steht aber offen, neugierig wie ich nun mal bin, fahre ich hin. Was ich sehe macht mich leicht konfus: Einige Soldaten putzten dort eine im Bunker stehende Kanone und prüften deren Funktionsfähigkeit! Spielen die schon wieder Krieg oder wie oder was? Ich muss am Abend sicherheitshalber den Nachrichten von Radio Austria International lauschen, vielleicht habe ich was überhört? Dass in diesen Kleinbefestigungsanlagen noch Kanonen stehen, mit dem habe ich nicht gerechnet. Ich wollte die Situation zwar fotografieren, allerdings verhießen die Blicke der uniformierten nichts Gutes, daher vertschüsste ich mich wieder so unauffällig es eben ging. Die Mündung der Kanone zeigte übrigens Richtung Türkei…..
Nun kurz etwas zur Insel: Sie hat eine Größe von rund 41 km² und wird von ca. 1.200 Menschen bewohnt. Nisyros ist eine rein vulkanisch gebildete Insel, die überseeischen Gesteine sind Andesit- bis Dacit-Lavaströme im Wechsel mit pyroklastischen Aschen, Bimse und Schlacken ähnlicher Zusammensetzung. Die momentane vulkanische Aktivität beschränkt sich auf heiße, schwefelreiche Dämpfe in einem Schlammkrater am Südende der Caldera. Letzte hydrothermale Ausbrüche gab es 1887. Neben Santorin ist Nisyros damit die einzige in der Neuzeit noch aktive Vulkaninsel Griechenlands. Seit 2000 wird die Insel geophysikalisch überwacht, weil man auch in Zukunft Vulkanausbrüche erwartet – es wird also wieder Zeit, dass ich von hier verschwinde….. Im 19. und 20. Jahrhundert wurde der Schwefel im Bereich der Schlammkrater im Südwesten der Caldera abgebaut und über einen kleinen Hafen an der Südküste verschifft; im 20. Jahrhundert wurde der Bims im Norden der Insel abgebaut und über eine Ladestation nahe Pali als Baumaterial verschifft. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts gab es Bemühungen, eine Geothermal-Bohrung zur Energie-Gewinnung zu nutzen, was sich jedoch nicht als praktikabel erwies. In Zukunft möchte man die Geothermale Energie mit moderneren Mitteln nutzen. So wie ich Griechenland zwischenzeitlich kenne, wird das aber wohl nichts - leider.
Der Hauptort ist Mandraki an der Nordküste der Insel – ich würde ihn als extrem pittoresk bezeichnen. Der Hafen ist bei Winden aus dem ersten und zweiten Quadranten völlig ungeschützt. Das örtliche Museum ist zurzeit leider geschlossen, da im Umbau begriffen. Oberhalb des sehr alten Mandraki liegt ein altes Johanniterkastell an Stelle antiker Vorgängerbauten. Es wurde im 14. Jahrhundert erbaut und trägt den Namen „Panagia Spiliani“. In westlicher Richtung liegt die beeindruckende antike Festung und Akropolis "Paliokastro" mit ihren riesigen Mauern aus Basalt – angeblich eine der besterhaltenen antiken Burgen aus der Zeit um 300-400 v.Chr. Genau dort erwischte mich eine durchziehende Gewitterfront. Ganz ging es sich nicht mehr bis zu einem Unterschlupf in einem Schulgebäude aus, aber zwischenzeitlich bin ich ja Nässe am Körper bei niedrigen Außentemperaturen bereits gewohnt…. Nichtsdestotrotz kämpfte ich mich anschließend auf abenteuerlichen Schotterwegen über die Westseite der Insel zum südlichen Kraterrand hinauf, belohnt durch eine atemberaubende Felskulisse und einem unvergleichlichen Ausblick auf die sturmgepeitschte Ägäis. Endlich oben angelangt blies es zwar mächtig, ein verlassen daliegendes, malerisches Kloster bot mir aber Windschutz und Trinkwasser aus einer Zisterne. Der Anblick des nun unter mir liegenden Kraters mit seinen bizarren Felsformationen, den verschiedenen Farbschattierungen und seinen beträchtlichen Ausmaßen war unbeschreiblich. Wahnsinn, das ich das noch erleben darf! Überhaupt gefällt mir Nisyros landschaftlich weit besser als Thira / Santorin. In wilder Fahrt ging es auf der Schotterpiste zum Grund des Kraters. Endlich einmal geht’s anständig bergab! Unten angekommen war es sogleich windstill, der Geruch von faulen Eiern stieg mir in die Nase, erinnerte mich an den heimatlichen Neusiedlersee. Hier beim Schlammkrater dominiert die Farbe schwefelgelb. Aus einer Spalte trat tatsächlich Dampf aus! Ziegen rupften am spärlichen Grünzeug, 10 kleine Ferkel (ohne Muttertier) kreuzten meinen Weg. Nachdem sie von rechts kamen, blieb ich stehen und ließ die Rotte vorüberziehen. Wohin sie, zufrieden vor sich hingrunzend, hintrotteten, wird wohl für immer ihr Geheimnis bleiben. Ich musste jedenfalls hellauf lachen, ihr Anblick war zu goldig! Zum ersten Mal in meinem Leben stand ich am Grund eines Vulkankraters und was passiert? Zehn Schweinderln kreuzen meinen Weg! Ich bin ja, so wie alle Seemänner, überhaupt nicht abergläubisch, aber wenn das kein gutes Omen war, dann weiß ich nicht… Ein mysteriöses Gefühl ist es übrigens schon, sich so Mutterseelen alleine ganz nahe an einem erdgeschichtlichen Umformungsprozess zu befinden. Ich bin jedenfalls sehr froh darüber, diese Insel besucht zu haben!
Eine Asphaltstrasse begann, die sich am anderen Ende des Kraters in Serpentinen zum Kraterrand emporschlängelte. Für meine schon müden Beine eine echte Herausforderung! Ich will aber nicht verhehlen, dass ich an den Steilstücken geschoben habe, damit ich morgen keinen zu großen Muskelkater habe, denn ich will ja den Rest der Insel auch noch erforschen – wenn das Wetter es zulässt….. Oben keuchend angekommen empfing mich ein kalter Westwind, die Ägäis zeigte durchgehend weiße Schaumkronen – jetzt möchte ich nicht unbedingt auf See sein….. Ich ziehe den Reissverschluß meiner Windjacke hoch, ziehe mein Mützchen über die Ohren und los geht’s – fast durchgehend bergab bis in den Hafen – Radlerherz, was willst du mehr!
Müde liege ich nun in meiner bequemen Koje, heißer Tee wärmt mich von innen, Leonard Cohen singt mir was von seiner Susanne vor, ich bin glücklich und zufrieden, ziemlich beeindruckt von dem Gesehenen.