Nachdem der Namen des Atolls „Niuatoputapu“ fast unaussprechlich ist, haben ihn die Segler für den internen Sprachgebrauch kurzerhand in „new Potatos“ umbenannt. Klingt so ähnlich und alle wissen, was damit gemeint ist.
Ich starte am Nachmittag gemeinsam mit Josien und Rob von der
„Inish“ zu Überfahrt in das nördlichste Atoll des Königreichs von Tonga. Das
Ausklarieren am Vortag in Apia hat fast den ganzen Vormittag gedauert… Es wurde
eine ziemlich problemlose Fahrt mit wechselnden Winden, nur kurz vor der
Einfahrt - Ankunft Freitag, den
27.09.2012 um 09:00 nach 185 sm - erwischte
mich doch noch ein kräftiger Regenschauer. Im Übrigen stimmte die Seekarte
(cm93) wieder einmal mit der Realität nicht überein, noch dazu ist die
Durchfahrt durch das Riff etwas tricky und die Seezeichen, welche bei einem Tsunami
zerstört wurden, sind auch nur „provisorisch“ wiederhergestellt worden…
Die Offiziellen, zwei Damen (in traditioneller
Kleidung) und ein Herr, wurden in einem Klein – Lkw zum Pier gebracht und
begehrten, auf unsere Boote geholt zu werden, um den unvermeidlichen Papierkram
zu erledigen. Wer mein Dinghi (und das von der „Inish“) kennt und dazu die
Leibesfülle der drei Beamten in Relation setzt, ahnt, dass das ein länger
dauerndes Unterfangen mit einer feuchten und komischen Note werden wird… Dean,
ein freundlicher Amerikaner, erbarmte sich unser schließlich und brachte sie (mit
seinem großen Dinghi) an Bord.
In der geschützten Lagune begann anschließend eine
herrliche Zeit: Ich mutierte zum „Lolliman“, da ich bei meinen Rundfahrten
immer Kaugummi dabei hatte, was die Kids (zu ihre wachsenden Begeisterung)
ziemlich schnell herausfanden – wer kann schon den erwartungsvollen Blicken
großer, brauner Kinderaugen widerstehen??
Die Insel ist fruchtbar und grün, Große
Mangobäume und Kokospalmen, von extensiv bewirtschafteten Ackerflächen, die
fast ausschließlich manuell bearbeitet werden, und von einigen ärmlich
anmutenden Siedlungen unterbrochen, dominieren die hügelige Landschaft.
Pampelmusen gibt hier leider auch keine.
Regelmäßig zogen Wale am Atoll vorbei, deren
Fluken und Blasfontänen weithin sichtbar waren.
Kinder, Schweine, Hunde, Hühner und Pferde
sind freilaufend und in allen Altersstufen vertreten, genau genommen herrscht
hier das Chaos, die Hütten sind teilweise so was von armselig,
erbarmungswürdig. Ende September 2009 zerstörte ein Tsunami einen Großteil der
Küstensiedlungen, wobei auch 9 Tote zu beklagen waren. Einige neue Siedlungen
in Fertigteilbauweise...
...wurden tsunamisicher höher liegend neu angelegt –
allerdings sind die Bauarbeiten nach vier (!!!) Jahren noch immer nicht
abgeschlossen… Es gibt keine geregelte Müllbeseitigung – das Ergebnis ist eine
wilde Entsorgung ausgedienter Konsumgüter in der näheren Umgebung der
Ortschaften – ein Graus. Tonga ist das einzige Königreich der südlichen
Hemisphäre, umfasst die 169 früher auch „Freundschaftsinseln“ genannten
Tongainseln, von denen nur 36 bewohnt sind, sowie die beiden Minerva-Riffe –
die aber auch von Fidschi und Neuseeland beansprucht werden. Tonga ist der
einzige Staat in Ozeanien, der nie von Europäern kolonialisiert wurde. Es liegt
zwischen 15° und 23,5° südlicher Breite und 173° und 177° westlicher Länge –
also östlich von Fidschi, südlich von Samoa und nördlich von Neuseeland - aber
trotzdem westlich der Datumsgrenze. Darum ist die korrekte Datumseinstellung von Computern und digitalen Uhren mit Kalenderfunktion in diesem Teil der
Welt gar nicht so einfach – manchmal sogar unmöglich… Tonga liegt mit seinen
vielen Vulkaninseln im Gebiet des pazifischen Feuerrings. Östlich Tongas liegt
der bis 10.882 m tiefe Tongagraben. Der höchste Punkt Tongas liegt mit über
1000 m auf der kleinen Insel Kao. Hauptstadt und größte Stadt des Landes ist Nuku’alofa.
Tonga hat etwa 101.000 Einwohner, die zu 98 % Polynesier sind. Die Menschen aus
Tonga essen gerne, viel und vor allem traditionell sehr kalorienreich (Yams,
Taro und Kokosöl). Obwohl dicke Menschen auf Tonga noch immer als schön gelten
und das Gesunde verkörpern, führte der Staat ein Programm zur
Ernährungsberatung ein und animierte die Bevölkerung zu mehr Sport. Notwendig
wurde das, weil rund 58 % der Männer und 75 % der Frauen einen Body-Maß-Index
aufwiesen, der weit über 30 lag. Das sagt wohl alles über die Leibesfülle der
Einheimischen aus…
Wir werden (gegen Erstattung eines
Unkostenbeitrages) zu einem traditionellen Essen bei Einheimischen (Niko und
Cia) eingeladen,...
...das traditionelle Kavatrinken ist etwas gewöhnungsbedürftig;
die Brühe schaut nicht nur aus wie (benutztes) Abwaschwasser, sie schmeckt auch
so… Ein seifiger Geschmack, ein leicht taubes Gefühl im Mund, in der Nacht dann
vermehrter Harndrang; das war’s dann – nicht unbedingt das Meine…
Durch einen beherzten Biss auf einen Mangokern
brach mir ein Schneidezahn ab, eine Plombe verlor ich auch wieder; nun muss ich
mir wohl einen Walrossbart wachsen lassen, um wieder ungehemmt lachen zu
können, ohne dass die Umstehenden laut schreiend das Weite suchen...
Eines Nachts erwischte mich der Zug, tagelang
Kreuzschmerzen waren die Folge – ich hätte doch auf meine Exfrau hören sollen
und statt nackt herumzuliegen ein Nachtleiberl anziehen sollen…
Trotz angeblich „schusssicherer“ Spezialreifen-
und Spezialschläuche handle ich mir einen „Patschen“ ein – Werbung und
Realität, zwei Welten prallen aneinander…
Am 2.10. unternehmen wir mit zwei (einheimischen)
Booten einen Ausflug auf die Vulkaninsel Tafahi...,
...rund 4sm nordwestlich gelegen
und 600m hoch. Es wurde eine nasse Reise mit abenteuerlicher Anlandung durch
einen schmalen Durchlaß im Riff, mit Holzstämmen zogen wir die Boote den Strand
hoch. Hier leben rund 30 Leute unter ärmlichen Verhältnissen, aber immerhin, es
gibt eine Grundschule! Beim Aufstieg entdeckten wir Mandarinenbäumchen,
allerdings keine Pampelmusen, leider.
Am Gipfel dann die Überraschung: Krabben in ihren
Muschel - „Häusern“ hätte ich auf 6oom Seehöhe nicht unbedingt erwartet –
allerdings ist es in der Gipfelregion extrem feucht, die Wolken fangen sich
hier und laden ihre Last ab; richtiger Regenwald empfing uns...
...eine wilde, feuchtigkeitsschwangere
Landschaft breitete sich vor uns aus – Jurassicpark lässt grüssen! Der Abstieg
auf einer anderen Route gestaltete sich dann als eher schwierig, rutschiges und
steiles Terrain behinderte unseren hurtigen Schritt nachhaltig.
Am (geplanten…) letzten Tag, bei meiner
Abschiedsrunde am 09.10., reiße ich (bergab) mit dem Rad eine „Bretzn“, von der
die Eingeborenen an ihren Lagerfeuern noch lange ihren Enkeln erzählen werden.
(Es war ein reiner Fahrfehler, ohne Fremdeinwirkung):
Die (nun kaputte) Brille
hat mir die Augenbraue gespalten, der zweite Vorderzahn ist abgebrochen, die
Lippe ist gespalten, im Kiefer knackst es, die linke Gesichtshälfte ist zerschunden,
ebenso Hände, Arme und Beine. Bravo Gerhard, das hast du wieder einmal sauber
hingekriegt. Mein Stolz ist nun leicht geknickt und meine natürliche Schönheit
hat etwas gelitten …
Feldarbeiter haben mich bewusstlos gefunden
und die Polizei verständigt, welche mich zur Krankenstation brachten. Lisa und
Larry von der amerikanischen Yacht „Lisa Kay“ kümmerten sich dabei rührend
besorgt um mich. Die Versorgung in der Krankenstation war zwar liebevoll aber
auf einem Standard, der mich sehr nachdenklich stimmte… Am nächsten Tag
überbrachte ich den Schwestern, nachdem ich meine Behandlungsgebühr von 50
Paanga bezahlt hatte, aus meinem (dank Eva) reichhaltigen Fundus eine
Medicalspende, um den Versorgungsstandard der Insel etwas zu heben. Leicht
peinlich war dabei nur, dass ich (in meinem bekannt guten englisch) einer
Schwester den Einsatzzweck eines Klistierballes erklären musste….
Eine gute Nachricht gibt es aber auch: Dem Rad
ist nichts passiert!
In der Hauptstadt Nuku’alofa gibt es angeblich
einen Zahnarzt – mal sehen, ob der mir zwei Kronen anfertigen kann.
Die geplante Abreise musste ich anschließend um
einen Tag verschieben, damit ich den Schock und die Schwellungen etwas
abklingen lassen konnte.Mein Lieblingsstrand:
Unser Führer Niko mit einer ausgegrabenen Taro - Frucht:
Der Ankerplatz hinter dem Riff:
Das "Medicalcenter":
Nachtrag zu Samoa:
Obwohl im ganzen südpazifischen Raum
beheimatet, gab es auf Samoa, das an sich ja sehr fruchtbar ist, keine
Pampelmusen. Das war schade, denn gerade diese vitaminreichen und schmackhaften
Früchte wären doch eine willkommene Bereicherung und Ergänzung für die eher
ungesunde Ernährung der Einheimischen.
Durch die Umstellung auf Linksverkehr gibt es
nun ein wildes Sammelsurium von Links- und Rechtsgesteuerten Kraftfahrzeugen.
Das steht der Verkehrssicherheit aber genau diametral gegenüber. Zur Verringerung
der Unfallhäufigkeit haben die Verantwortlichen große weiße Pfeile auf die
Strassen malen, und an den Straßenrändern Schilder aufstellen lassen, zur
Erinnerung daran, links zu fahren.
Ihre Toten beerdigen die Einheimischen im Garten,
wobei die Gräber oft in einem besseren Zustand sind als die Häuser…
Etmal:
185sm, Position: S 015° 56, 48’ / W 173° 46, 13’
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