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Dienstag, 25. September 2012

Von Samoa nach Tonga, Niuatoputapu


Nachdem der Namen des Atolls „Niuatoputapu“ fast unaussprechlich ist, haben ihn die Segler für den internen Sprachgebrauch kurzerhand in „new Potatos“ umbenannt. Klingt so ähnlich und alle wissen, was damit gemeint ist.
Ich starte am Nachmittag gemeinsam mit Josien und Rob von der „Inish“ zu Überfahrt in das nördlichste Atoll des Königreichs von Tonga. Das Ausklarieren am Vortag in Apia hat fast den ganzen Vormittag gedauert… Es wurde eine ziemlich problemlose Fahrt mit wechselnden Winden, nur kurz vor der Einfahrt - Ankunft  Freitag, den 27.09.2012  um 09:00 nach 185 sm - erwischte mich doch noch ein kräftiger Regenschauer. Im Übrigen stimmte die Seekarte (cm93) wieder einmal mit der Realität nicht überein, noch dazu ist die Durchfahrt durch das Riff etwas tricky und die Seezeichen, welche bei einem Tsunami zerstört wurden, sind auch nur „provisorisch“ wiederhergestellt worden…
Die Offiziellen, zwei Damen (in traditioneller Kleidung) und ein Herr, wurden in einem Klein – Lkw zum Pier gebracht und begehrten, auf unsere Boote geholt zu werden, um den unvermeidlichen Papierkram zu erledigen. Wer mein Dinghi (und das von der „Inish“) kennt und dazu die Leibesfülle der drei Beamten in Relation setzt, ahnt, dass das ein länger dauerndes Unterfangen mit einer feuchten und komischen Note werden wird… Dean, ein freundlicher Amerikaner, erbarmte sich unser schließlich und brachte sie (mit seinem großen Dinghi) an Bord.
In der geschützten Lagune begann anschließend eine herrliche Zeit: Ich mutierte zum „Lolliman“, da ich bei meinen Rundfahrten immer Kaugummi dabei hatte, was die Kids (zu ihre wachsenden Begeisterung) ziemlich schnell herausfanden – wer kann schon den erwartungsvollen Blicken großer, brauner Kinderaugen widerstehen??
Die Insel ist fruchtbar und grün, Große Mangobäume und Kokospalmen, von extensiv bewirtschafteten Ackerflächen, die fast ausschließlich manuell bearbeitet werden, und von einigen ärmlich anmutenden Siedlungen unterbrochen, dominieren die hügelige Landschaft. Pampelmusen gibt hier leider auch keine.
Regelmäßig zogen Wale am Atoll vorbei, deren Fluken und Blasfontänen weithin sichtbar waren.
Kinder, Schweine, Hunde, Hühner und Pferde sind freilaufend und in allen Altersstufen vertreten, genau genommen herrscht hier das Chaos, die Hütten sind teilweise so was von armselig, erbarmungswürdig. Ende September 2009 zerstörte ein Tsunami einen Großteil der Küstensiedlungen, wobei auch 9 Tote zu beklagen waren. Einige neue Siedlungen in Fertigteilbauweise...

 

...wurden tsunamisicher höher liegend neu angelegt – allerdings sind die Bauarbeiten nach vier (!!!) Jahren noch immer nicht abgeschlossen… Es gibt keine geregelte Müllbeseitigung – das Ergebnis ist eine wilde Entsorgung ausgedienter Konsumgüter in der näheren Umgebung der Ortschaften – ein Graus. Tonga ist das einzige Königreich der südlichen Hemisphäre, umfasst die 169 früher auch „Freundschaftsinseln“ genannten Tongainseln, von denen nur 36 bewohnt sind, sowie die beiden Minerva-Riffe – die aber auch von Fidschi und Neuseeland beansprucht werden. Tonga ist der einzige Staat in Ozeanien, der nie von Europäern kolonialisiert wurde. Es liegt zwischen 15° und 23,5° südlicher Breite und 173° und 177° westlicher Länge – also östlich von Fidschi, südlich von Samoa und nördlich von Neuseeland - aber trotzdem westlich der Datumsgrenze. Darum ist die korrekte Datumseinstellung von Computern und digitalen Uhren mit Kalenderfunktion in diesem Teil der Welt gar nicht so einfach – manchmal sogar unmöglich… Tonga liegt mit seinen vielen Vulkaninseln im Gebiet des pazifischen Feuerrings. Östlich Tongas liegt der bis 10.882 m tiefe Tongagraben. Der höchste Punkt Tongas liegt mit über 1000 m auf der kleinen Insel Kao. Hauptstadt und größte Stadt des Landes ist Nuku’alofa. Tonga hat etwa 101.000 Einwohner, die zu 98 % Polynesier sind. Die Menschen aus Tonga essen gerne, viel und vor allem traditionell sehr kalorienreich (Yams, Taro und Kokosöl). Obwohl dicke Menschen auf Tonga noch immer als schön gelten und das Gesunde verkörpern, führte der Staat ein Programm zur Ernährungsberatung ein und animierte die Bevölkerung zu mehr Sport. Notwendig wurde das, weil rund 58 % der Männer und 75 % der Frauen einen Body-Maß-Index aufwiesen, der weit über 30 lag. Das sagt wohl alles über die Leibesfülle der Einheimischen aus…
Wir werden (gegen Erstattung eines Unkostenbeitrages) zu einem traditionellen Essen bei Einheimischen (Niko und Cia) eingeladen,...

 

...das traditionelle Kavatrinken ist etwas gewöhnungsbedürftig; die Brühe schaut nicht nur aus wie (benutztes) Abwaschwasser, sie schmeckt auch so… Ein seifiger Geschmack, ein leicht taubes Gefühl im Mund, in der Nacht dann vermehrter Harndrang; das war’s dann – nicht unbedingt das Meine…
Durch einen beherzten Biss auf einen Mangokern brach mir ein Schneidezahn ab, eine Plombe verlor ich auch wieder; nun muss ich mir wohl einen Walrossbart wachsen lassen, um wieder ungehemmt lachen zu können, ohne dass die Umstehenden laut schreiend das Weite suchen...
Eines Nachts erwischte mich der Zug, tagelang Kreuzschmerzen waren die Folge – ich hätte doch auf meine Exfrau hören sollen und statt nackt herumzuliegen ein Nachtleiberl anziehen sollen…
Trotz angeblich „schusssicherer“ Spezialreifen- und Spezialschläuche handle ich mir einen „Patschen“ ein – Werbung und Realität, zwei Welten prallen aneinander…
Am 2.10. unternehmen wir mit zwei (einheimischen) Booten einen Ausflug auf die Vulkaninsel Tafahi...,

 

...rund 4sm nordwestlich gelegen und 600m hoch. Es wurde eine nasse Reise mit abenteuerlicher Anlandung durch einen schmalen Durchlaß im Riff, mit Holzstämmen zogen wir die Boote den Strand hoch. Hier leben rund 30 Leute unter ärmlichen Verhältnissen, aber immerhin, es gibt eine Grundschule! Beim Aufstieg entdeckten wir Mandarinenbäumchen, allerdings keine Pampelmusen, leider.
Am Gipfel dann die Überraschung: Krabben in ihren Muschel - „Häusern“ hätte ich auf 6oom Seehöhe nicht unbedingt erwartet – allerdings ist es in der Gipfelregion extrem feucht, die Wolken fangen sich hier und laden ihre Last ab; richtiger Regenwald empfing uns...


...eine wilde, feuchtigkeitsschwangere Landschaft breitete sich vor uns aus – Jurassicpark lässt grüssen! Der Abstieg auf einer anderen Route gestaltete sich dann als eher schwierig, rutschiges und steiles Terrain behinderte unseren hurtigen Schritt nachhaltig.
Am (geplanten…) letzten Tag, bei meiner Abschiedsrunde am 09.10., reiße ich (bergab) mit dem Rad eine „Bretzn“, von der die Eingeborenen an ihren Lagerfeuern noch lange ihren Enkeln erzählen werden. (Es war ein reiner Fahrfehler, ohne Fremdeinwirkung): 

 

Die (nun kaputte) Brille hat mir die Augenbraue gespalten, der zweite Vorderzahn ist abgebrochen, die Lippe ist gespalten, im Kiefer knackst es, die linke Gesichtshälfte ist zerschunden, ebenso Hände, Arme und Beine. Bravo Gerhard, das hast du wieder einmal sauber hingekriegt. Mein Stolz ist nun leicht geknickt und meine natürliche Schönheit hat etwas gelitten …
Feldarbeiter haben mich bewusstlos gefunden und die Polizei verständigt, welche mich zur Krankenstation brachten. Lisa und Larry von der amerikanischen Yacht „Lisa Kay“ kümmerten sich dabei rührend besorgt um mich. Die Versorgung in der Krankenstation war zwar liebevoll aber auf einem Standard, der mich sehr nachdenklich stimmte… Am nächsten Tag überbrachte ich den Schwestern, nachdem ich meine Behandlungsgebühr von 50 Paanga bezahlt hatte, aus meinem (dank Eva) reichhaltigen Fundus eine Medicalspende, um den Versorgungsstandard der Insel etwas zu heben. Leicht peinlich war dabei nur, dass ich (in meinem bekannt guten englisch) einer Schwester den Einsatzzweck eines Klistierballes erklären musste….
Eine gute Nachricht gibt es aber auch: Dem Rad ist nichts passiert!
In der Hauptstadt Nuku’alofa gibt es angeblich einen Zahnarzt – mal sehen, ob der mir zwei Kronen anfertigen kann.
Die geplante Abreise musste ich anschließend um einen Tag verschieben, damit ich den Schock und die Schwellungen etwas abklingen lassen konnte.

Mein Lieblingsstrand:



Unser Führer Niko mit einer ausgegrabenen Taro - Frucht: 




Der Ankerplatz hinter dem Riff:



Das "Medicalcenter":




  
Nachtrag zu Samoa:
Obwohl im ganzen südpazifischen Raum beheimatet, gab es auf Samoa, das an sich ja sehr fruchtbar ist, keine Pampelmusen. Das war schade, denn gerade diese vitaminreichen und schmackhaften Früchte wären doch eine willkommene Bereicherung und Ergänzung für die eher ungesunde Ernährung der Einheimischen.
Durch die Umstellung auf Linksverkehr gibt es nun ein wildes Sammelsurium von Links- und Rechtsgesteuerten Kraftfahrzeugen. Das steht der Verkehrssicherheit aber genau diametral gegenüber. Zur Verringerung der Unfallhäufigkeit haben die Verantwortlichen große weiße Pfeile auf die Strassen malen, und an den Straßenrändern Schilder aufstellen lassen, zur Erinnerung daran, links zu fahren.
Ihre Toten beerdigen die Einheimischen im Garten, wobei die Gräber oft in einem besseren Zustand sind als die Häuser…

Etmal: 185sm, Position: S 015° 56, 48’ / W 173° 46, 13’

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