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Samstag, 29. August 2009

Von Porto Colom nach Ibiza

Gegen Morgen beginnt es zu wehen, noch dazu aus der richtigen Richtung. Sollte der Wetterbericht doch einmal stimmen? Kaum zu glauben! Nach einem kurzen Frühstück schieben wir vorsichtig unsere Nasen aus der Bucht und peilen die Lage: Sensationell! Wind aus der richtigen Richtung mit der richtigen Stärke. Das ich das noch erleben darf! Unter Vollzeug rauschen wir Richtung SSW, die Wellen kommen von achtern, der Autopilot kann zeigen, was er kann. Zeitweise zischen wir mit knapp Rumpfgeschwindigkeit dahin, und das bei der Segelstellung „Butterfly“!! Nachdem das der Autopilot nicht schafft (er reagiert zu spät, das Schiff beginnt zu geigen und läuft komplett aus dem Ruder) sitze ich an der Pinne und weiß bald nicht mehr, wie ich das Adrenalin in meinem Körper wieder abbauen soll…
Eigentlich wollte ich ja die Insel Cabrera, ein Naturschutzgebiet, anlaufen. Diese Insel liegt auf dem Weg nach Ibiza und hätte mir als Zwischenstation dienen sollen. Dort sind in einer wunderschönen und sehr gut geschützten Bucht kostenpflichtige Bojen ausgelegt. Also geht es wieder einmal nicht wirklich um Naturschutz, sondern ums bloße abkassieren… Leider ist diese schöne Insel von Palma de Mallorca gerade mal 28sm entfernt. Dementsprechend geht es dort zu. Der Mastenwald und die Schaumspuren der Motorboote sind unübersehbar; ich bin auf den Wirbel aber nichts neugierig und starte durch, nehme Kurs direkt auf die Insel Ibiza, in die Cala Boix. Der Wind schralt, ich setze den Blister, der zieht doch besser als die Genua. Bei Sonnenuntergang bin ich noch exakt 28,5sm von der Ankerbucht entfernt. Meine ETA (Estimated Time of Arrival = geschätzte Ankunftszeit) wird so zwischen drei und vier Uhr in der Nacht sein – wenn der Wind durchsteht. Also wieder einmal eine Ankunft in der Dunkelheit, um nicht ganz aus der Übung zu kommen…
Ich lasse den Blister auch nach Einbruch der Dunkelheit oben, es ist doch so schön, durch die Nacht zu fliegen! Das war allerdings ein Fehler, denn der Wind legt zu und ich habe ziemliche Mühe, den störrischen Windbeutel im Licht der Stirnlampe auf dem nassen Vordeck zu bergen…
Nur drei große Schiffe beschäftigen mich kurzfristig, mehr Sorgen machen mir zwei Segelschiffe, die auf meinen Kurs aufkommen und schneller sind als ich. In dieser Zeit ist also keine Schlafphase drin, da sie kein AIS – Signal aussenden und mein Gerät sie nicht anzeigen kann.
Um vier Uhr stehe ich vor der Ankerbucht – und laufe nicht ein. Es ist stockdunkel, der Mond ist irgendwann zwischen zwei und drei Uhr untergegangen, ich sehe einfach zu wenig. Das Unangenehme hier im Süden ist der späte Sonnen Auf – und frühe Untergang. Zurzeit geht die Sonne so um 20:30 unter und erst nach 06:00 auf. Also muss ich noch ungefähr zwei Stunden vor der Bucht kreuzen, da ich kein unnötiges Risiko eingehen will. Das ist mir aber zu dumm, daher segle ich der Küste Ibizas nach Südwesten entlang weiter bis zu der Stadt Santa Eulalia, die eine große Marina mit den entsprechenden Leuchtfeuern hat. Vor der Stadt liegen einige kleine unbeleuchtete Inselchen, die ich sicherheitshalber außen herum runde… Ich laufe aber dann nicht in die Marina ein sondern lege mich in die davor liegende Bucht vor Anker – der Wetterbericht erlaubt es mir mit gutem Gewissen.
Um Punkt sechs Uhr (es ist noch immer finster) rauscht bei vier Meter Wassertiefe (laut Seekarte, mein Lot ist ja außer Gefecht…) mein Bügelanker in den Grund, 20 Meter 8mm Kette folgen – nun könnte schon einiges kommen…
Ich konnte vom Start weg zweiundzwanzig Stunden unter allen möglichen Windbedingungen durchsegeln und dabei 90,5 sm
(= 167Km) zurücklegen. Ich bin zwar hundemüde, aber so was von glücklich, ich kann es gar nicht sagen!
Jetzt aber ab in die Koje, ein paar Stunden Schönheitsschlaf brauche ich schon. Wehe, es stört mich wer dabei!

Etmal: 90,5sm, Position: N 38° 59,08’ / E 001° 32,22’