Diese Nacht war schon bedeutend wärmer! Mit dem neuen Solarpaneel bin ich auch zufrieden, bei optimaler Stellung zur Sonne lädt es mit 5,5 Ampere in meine Batterien. Nur das Händeln ist nun ein bisschen aufwändiger, bedingt durch seine Größe und dem Alurahmen.
Ich nehme Abschied von der schönen Insel Kastellorizon und laufe aus. Ich umrunde die Riffe zwischen den Inseln und kann bald die Segel setzen. Die türkische Gastlandflagge wird wieder gehisst und ich wechsle vom Okzident in den Orient zurück. Ich nehme Kurs auf Kekova, einem Naturschutzgebiet inmitten einer herrlichen Landschaft. Mein Blister zieht mich langsam aber stetig gen Osten, es weht nur ganz schwach, aber zumindest aus der richtigen Richtung. So richtig gemütliches Segeln ist angesagt. Langsam gleitet die Küste vorbei, ich baumle mit der Seele. Es wird heiß, das erste Mal heuer verwende ich Sonnencreme! Ein Delfinschwarm begleitet mich über einen längeren Zeitraum hinweg, anscheinend haben sie es nicht eilig, da sie mein Tempo, heiße zwei bis drei Knoten, schwimmen. Leider kommen sie nicht ganz zum Schiff, obwohl ich versuche sie anzulocken. Vielleicht ist mein Singen und Pfeifen zu unmelodisch für ihre Ohren…. Viel Zivilisationsabfall schwimmt an der Wasseroberfläche, macht mich ärgerlich. Ich schleppe meinen Müll tagelang an Bord mit bis zu einer Entsorgungsstelle und muss so etwas mit ansehen….
Der Wind steht günstig, ich beschließe daher, die schmale Einfahrt zwischen der Insel Kekova und dem Festland nur unter Blister zu durchsegeln. Mir ist klar, dass dort in der unmittelbaren Landabdeckung der Wind schralen oder ganz wegbleiben wird, deshalb starte ich schon vor der Einfahrt sicherheitshalber den Motor, falls ich ihn brauchen sollte. Wie erwartet fällt mitten in der Durchfahrt der Blister ein, das Schiff „verhungert“ sozusagen. Gut, dann nehme ich eben den Motor zu Hilfe. Ich bücke mich, lege den Gang ein und – ein mir schon bekanntes, unangenehmes Geräusch ertönt und der Motor stirbt ruckartig ab. Abgewürgt!!! Neiiiiin, nicht schon wieder!!! Ich hatte doch erst meine Krise!!! Mir wird plötzlich ganz heiß – manövrierunfähig zwischen den Felsen, was Blöderes kann’s doch gar nicht geben!!! Was tun? Ein schneller Kontrollblick zeigt, alle meine Leinen sind an Bord, der Rundumblick ins Wasser lässt auch nichts Außergewöhnliches erkennen, nichts ist zu sehen. Was ist da bloß wieder passiert? Ich versuche es noch einmal mit dem Motor, der Sieg der Hoffnung über die Vernunft. Natürlich dasselbe Ergebnis wie vorhin - nichts. Die Felsen kommen langsam aber sicher näher – ich muss irgendwie durch diese verdammte Durchfahrt kommen, danach habe ich dann freien Seeraum und Zeit zum Klarieren. Ich führe die Blisterschot aus der Hand, versuche dadurch jeden Hauch von Wind mit einer optimalen Segelstellung zu erwischen, mit der anderen Hand wrigge ich mit der Pinne, um ein bisschen Fahrt ins Schiff zu bekommen. Unendlich langsam dümple ich dahin, ab und zu füllt ein Hauch von Wind das Segel, gibt neue Hoffnung. Nicht um mich habe ich Angst, mein braves Schiff muss ich retten! Es geht sich dann doch halbwegs aus, ich komme gut an den Felsen vorbei, die Wassertiefe nimmt wieder rasch zu. Wie zum Hohn füllt der Wind plötzlich wieder das Segel, Sandpiper nimmt Fahrt auf… In der Mitte von Kekova Reede berge ich das Segel, lasse das bislang am Heck hochgebundene Schlauchboot zu Wasser, ziehe mich aus, setze meine Taucherbrille auf und steige ins (natürlich noch immer a….kalte) Wasser, nicht ohne mich vorher mit einem dickeren Festmacher gesichert zu haben, denn ein treibendes Schiff kann schneller sein als man denkt. Ein schneller Rundumblick unter Wasser, nichts ist zu sehen. Unter mir ist es tiefblau, Sonnenstrahlen dringen in die Tiefe - irgendwie unheimlich, mich fröstelt plötzlich. Ich tauche zum Propeller, was ich dort sehe lässt Zorn in mir hochsteigen: Ein größerer Plastiksack hat sich fest um die Schraube verwickelt und diese dadurch blockiert. Mehrere Tauchgänge mit dem Messer sind notwendig, um den Kunststoff zu entfernen. Nachdem ich mich wieder beruhigt hatte und der Motor wieder normal funktionierte, setzte ich wieder den Blister. Ein Hauch von einem achterlichen Wind machte es dann möglich, einen seltenen seglerischen Höhepunkt erleben zu dürfen: Ich glitt lautlos durch eine fast mystisch zu nennende Landschaft, Häuser- und Kirchenruinen am Ufer, östlich einer kleinen Ortschaft steinerne Sarkophage, kleine Inseln und Riffe, umrahmt von karstigen Hügeln, in der graue Felsen und Maccia dominieren, von einer Burgruine gekrönt. Ich konnte, unter Blister segelnd, einen geschützten Ankerplatz ansteuern und das Ankermanöver fahren. Das Seglerherz war wieder mit der Welt versöhnt. So einen geschützten Ankerplatz gibt es nur ganz selten. Faktisch eine Lagune in einer Lagune. Fast wie im Paradies ist es hier, landschaftlich einmalig, unwahrscheinlich schön. Leider stören Fischer mit ihren lauten Motoren diese Idylle. Die meisten der Fischerboote hier sind mit luftgekühlten Einzylinder Baustellen – Dieselmotoren ausgestattet, wie sie z.B. auch in Rüttelplatten eingesetzt werden. Diese Motoren sind sehr laut und haben eine schlechte Schalldämpfung. Dafür sind sie halt billig…... Es hört sich fast wie ein 15er Steyr Traktor an.
Etmal: 15,5 sm, Position: N 36° 11,68’ / E 029° 51,37’