Wieder Wirbel in der Nacht, so einen lauten Hafen habe ich schon längere Zeit nicht mehr erlebt. Ich besorge mir Wasser und Benzin, kaufe noch ein und vertschüsse mich – Kurs Nord. Es herrscht allerdings totale Flaute… Ich motore die Küste hoch, bis zum allernördlichsten Punkt Kretas, dem Kap Ak. Spathi:
Ich finde, dass ist ein würdiger Ort um sich zu verabschieden. Hier, an dem ziemlich windigen Kap, kann ich die Segel setzen und Kurs auf mein nächstes Ziel, die kleine Insel Antikythera, nehmen. Kalispera, mein Kreta, lebe wohl! Auch Du warst immer gut zu mir! Wer weiß, ob wir uns je wieder sehen werden?
Einen Großteil der Strecke kann ich segeln, die letzten paar Meilen muss ich motoren. Wobei mir der Motor ziemliches Kopfzerbrechen bereitet, da er im Teillastbereich unrund läuft und nur unwillig Gas annimmt. Unangenehme, kreuz und quer laufende Wellen bremsen Sandpiper und treiben den Benzinverbrauch in die Höhe. Ich bin froh, nach zehn Stunden Fahrzeit endlich in die einzig halbwegs geschützte Bucht der kleinen Insel einlaufen zu können - noch bei Tageslicht!!:
Im Jahre 1902 entdeckte ein Archäologe in einem Klumpen korrodierten Materials, das er aus einem Schiffswrack zur Untersuchung erhalten hatte, ein Zahnrad. Das Wrack war vor dieser Insel in 40m Tiefe gefunden worden, und als ca. 2.000 Jahre alt datiert worden. Dieser Mechanismus von Antikythera, oder auch Computer von Antikythera genannt, ist der älteste erhaltene Apparat, der mit Zahnrädern funktioniert. Er ist aus Bronze gefertigt, und verwendet ein Differentialgetriebe. Bis zu dieser Entdeckung war man davon ausgegangen, dass solche Differentialgetriebe erst im 13. Jahrhundert erfunden wurden.
Der Minihafen ist von Fischerbooten voll belegt, ich muss in der engen Bucht auf zwölf Meter Wassertiefe ankern. Es fängt wieder an zu blasen, noch dazu steht Schwell herein; es wird eine unruhige Nacht, fürchte ich… Meine Befürchtungen bewahrheiten sich, allerdings anders als ich es erwartet hatte: Um 23 Uhr wecken mich Motorengeräusche und Männerstimmen. Nackt wie ich bin schnappe ich mir meine Machete und taumle schlaftrunken ins Cockpit. Was ist denn los, könnt ihr nicht schlafen? Ein Fischerboot kreist neben mir und ein Mann gibt mir in schlechtem Englisch zu verstehen, dass gleich eine „Big Boat“ kommen würde und den ganzen Platz in der Bucht brauchen würde – ich mich daher zwischenzeitlich nach draußen verziehen soll. Ich antworte ihm daraufhin, dass ich meinen Schönheitsschlaf vor Mitternacht dringend notwendig hätte, mein Motor spuckt und überhaupt, hätte er mir das nicht früher sagen können? Er meint daraufhin nur trocken, dass es für meine Sicherheit doch besser wäre, kurzfristig die Bucht zu verlassen… Ich schicke ein Stoßgebet zum Himmel, dass mir der Motor in diesen entscheidenden Minuten nicht verrecken möge, hole Hand über Hand alle dreißig Meter Kette ein (so komme ich doch noch zu meinem Abendsport…) und laufe aus der Bucht aus. Es ist stockdunkle Nacht, der Mond wird erst später aufgehen, ich bin müde, hungrig und der Wind pfeift; mit einem Wort, die Stimmung tendiert Richtung Nullpunkt. Noch dazu drehe ich hier einsame Kreise in einer Gegend, die von Riffen gespickt ist, wo ich mich nicht auskenne und nicht weiß, was auf mich zukommt. Ich drohe dem Motor, dass, wenn er mich in dieser schweren Stunde im Stich lassen sollte, ich ihn unverzüglich versenken werde – das hat geholfen, er hielt brav durch. Na also, geht doch! Gleichzeitig mit mir verlässt ein größeres Fischerboot ebenfalls die Bucht, also scheint etwas Wahres an der Warnung dran zu sein. Zehn Minuten später glaube ich zu träumen: Eine Fähre, groß wie die Queen Mary II, läuft in die Bucht ein und dreht in dem Bereich, in dem ich vorher gelegen bin, um. So was nennt man Maßarbeit. Viel Platz blieb da zwischen deren Bug, Heck und den Felsen nicht mehr. Sandpiper, obwohl klein, hätte da nicht mehr gut dazwischengepasst… Mein Kompliment an den Steuermann – dieses Manöver in stockdunkler Nacht verlangt einiges an Können und Erfahrung. Eine Viertelstunde später läuft die Fähre wieder aus, das Fischerboot und ich kehren zurück, ich setze meinen Anker neu und hoffe auf eine nun ruhige Nacht.
Etmal: 36,5sm, Position: N 35° 53,05’ / E 023° 17,41’