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Mittwoch, 23. Dezember 2009

Frohe Weihnachten!!

He? Was heißt hier „Frohe Weihnachten“? Was ist los, was ist passiert? Keine Panik, nichts Dramatisches!
Also, von Alicante aus, wo ich noch zwei schöne Tage vor Anker verbrachte, ging es weiter Richtung Süden. Ein herrlicher NO blies mich die Küste entlang. Ungefähr 15 sm östlich von Cartagena, gleich nach dem Kap Cabo de Palos, fand ich eine kleine Ankerbucht. Ich war schon müde vom langen Segeln, da ich leider keinen der beiden Autopiloten mehr zum Leben erwecken konnte (Glumpert, elendiges…) und daher ständig an der Pinne präsent sein musste. Ich steuerte unter Motor in die Bucht, die mir aber irgendwie nicht gefiel. Während ich noch überlegte, ob es nicht sinnvoller wäre, mir ein anderes Plätzchen zu suchen, fiel (wieder einmal…) der Motor nach ein paar unanständigen Geräuschen aus. So blieb mir also eine Entscheidungsfindung erspart, denn ich musste ja blitzschnell nach vorne sprinten, um den Anker schnellstmöglich in den Grund zu bekommen. Nun saß ich also fest. Seltsamer weise standen in diese Bucht die Wellen hinein, obwohl sie doch vor der gerade herrschenden Windrichtung geschützt war. Komisch… Aber was sollte ich machen, ich konnte ja wegen des defekten Motors sowieso nicht weg! Also steckte ich genügend Kette, tauchte ab und verkeilte meinen braven Bügelanker in einer Felsspalte. Es war ja nicht tief, nur knapp drei Meter Wasser unter dem Kiel. Dann machte ich mich fluchend (wieder einmal...) über den Motor her und wechselte die total verölten Kerzen aus. Nachdem ich die amerikanische Fehlkonstruktion wieder zum Laufen gebracht hatte, war es schon fast dunkel. Ich brachte noch seitlich den Heckanker aus, um Sandpiper gegen die heranrollenden Wellen genau ausrichten zu können, köchelte mir noch eine Kleinigkeit und machte es mir dann in meiner Koje gemütlich. Es pfiff zwar der Wind und die Wellen ließen Sandpiper kräftig schaukeln, aber was soll in einer Bucht mit 30m gesteckter Kette schon viel passieren? Ich schnappte mir also meinen Laptop, um die Ereignisse des Tages niederzuschreiben – nicht ahnend, was passieren wird …
Erwähnen möchte ich noch, dass, da es ja heiß war, das Hubdach aufgestellt und die Vorschiffsluke offen war. Von besagtem Hubdach hatte ich vor einiger Zeit die Stoffbespannung entfernt, um eine bessere Luftzirkulation zu erreichen – das sollte sich als „strafverschärfend“ herausstellen…
Um Mitternacht, ich war gerade im ersten tiefen Schlaf, beschlossen die dafür zuständigen Götter mir zu zeigen, dass nun Schluss mit lustig sei. Sie ließen drei hintereinander folgende Wellen sich höher aufbauen und in meine vermeintlich sichere Bucht rauschen. Zusätzlich hatte sich die Ankerkette am Grund um einen Stein gelegt und dadurch den Schwojradius von Sandpiper erheblich eingeschränkt. Dann passierten einige Dinge in unmittelbarer zeitlicher Abfolge: Die Erste der großen Wellen hob Sandpiper hoch und nahm sie das kurze Stück, bis die Kette steif kam, mit. Der eingehakte Ruckdämpfer riss, Sandpiper ruckte schlagartig und so brutal ein, dass der Kettenbeschlag (obwohl gut unterfüttert) aus dem Laminat gerissen wurde. Dieser verfing sich aber zum Glück so im Vorstagbeschlag, dass Sandpiper weiterhin quasi „vor Anker“ lag. Ich wurde unsanft aus meinen Träumen und aus der Koje gerissen. Bevor ich noch realisieren konnte, was passiert war, marschierte die Welle über das Schiff, ein Teil des Wassers fand ungehindert seinen Weg (das stofflose Hubdach war ja hochgestellt…) in die Kajüte und natürlich über mich. Schlagartig waren die Matratzen waschelnass und ich putzmunter… Ein Großteil meiner Kleidung, die Bettwäsche und ein Teil meiner Seekarten waren völlig durchnässt, der Laptop, ein Netzgerät sowie ein Großteil meiner Teevorräte waren zerstört. In dem entstandenen Tohuwabohu versuchte ich verzweifelt, meine Brillen und eine Stirnlampe zu finden. Aber nur solange, bis die zweite Welle über das Deck rauschte, Sandpiper abermals wie ein Bronco hochstieg, einruckte und ich wieder wie ein begossener Pudel in einer Ecke zu liegen kam. Bevor die dritte Welle kam, konnte ich endlich das Hubdach schließen, um einen neuerlichen Wassereinbruch zu verhindern. Das gelang aber nicht ganz, da das Schiebeluk eine arge Fehlkonstruktion ist, da es über das Dach geführt wird und durch keine so genannte „Schiebelukgarage“ geschützt wird… Durch den konstruktionsbedingten Spalt kann nun von oben Wasser in das Schiff eindringen. Ebenso wird bei schwerem Wetter Wasser durch den Spalt zwischen Deck und Hubdach hindurchgedrückt. Ich versuchte die Kette durch eine Ankerleine zu verlängern, um mehr Raum zum Schwojen zu bekommen. Das gelang mir aber nicht, da sich der ausgerissene Beschlag zu stark verklemmt hatte. So ein Mist! Ich war nun heilfroh, dass ich den Anker händisch im Felsgrund verklemmt hatte und das Schiff nicht an Land trieb.
Ich fixierte die Kette zusätzlich an den beiden Bugklampen, versuchte mit Handtüchern die Spalten des Schiebeluks und des Hubdaches abzudichten und begann, das Wasser aus dem Schiff zu entfernen. Ein deprimierender Job… Ich legte Kunststoff Müllsäcke über die Matratzen und versuchte zu schlafen. Um Drei Uhr kamen allerdings die nächsten hohen Wellen angerauscht – der Anker hielt, meine Abdichtversuche hatten nur einen Teilerfolg, wieder Wasser im Schiff, wieder wurde ich ungewollt kalt geduscht. Meine Gemütslage mag ich gar nicht beschreiben – die muss zwischen Depression und Wahnsinn gependelt sein.
Meine Gedanken kreisten um die Tatsache, dass der Wind beständig aus NO wehte, die Wellen aber aus SO kamen. Wie gibt es das? Mir unerklärlich. Ob das mächtige Kap Cabo de Palos daran schuld ist? Ich weiß es nicht.
Um nicht wieder nass zu werden zog ich meinen Schwerwetteranzug an und legte mich auf eine Cockpitbank ins Freie. Das brachte aber nur einen Teilerfolg, denn als um sechs Uhr das nächste Dreierpack heranrollte stürzte das Wasser über die Sprayhood drüber und erwischte mich wiederum… Diese Nacht werde ich wohl nicht so schnell vergessen… Um mich selbst hatte ich keine Angst, das sandige Ufer war ja nur so um die fünfzig Meter entfernt, aber um Sandpiper fürchtete ich!
Als es endlich hell wurde musste ich feststellen, das vom Schlauchboot das Sitzbrett und ein Ruder fehlte, beides von den Wellen weggerissen. In dem trüben Wasser keine Chance, die Teile wieder zu finden. Ich machte, dass ich aus dieser Falle fortkam, was sich aber durch den eingeklemmten Anker, ohne Selbststeueranlage, dem stotternden Motor und dem Wellengang als nicht gerade einfach erwies. Ich war heilfroh, als ich endlich wieder blaues Wasser unter dem Kiel hatte. Ich band die Matratzen zum Trocknen an Deck fest und segelte, nachdenklich geworden, über Cartagena und Aguilas bis nach Carboneras. Dort stand dann mein Entschluss fest: Mit diesem Schiff segle ich nicht mehr weiter. Zudem machte mir zu diesem Zeitpunk die andauernde Einsamkeit doch zu schaffen. Kamerad Chris half mir mit seinem perfekten Spanisch selbstlos, so dass ich in kurzer Zeit Sandpiper an Land stellen und nach Österreich fliegen konnte. Dort kaufte ich mir einen alten Volvo 940 GL, (Naiv dachte ich, dass das „GL“ für „Großen Luxus“ oder etwas ähnlichem steht. Die Erfahrung zeigte, dass es für „Ganz Langsam“ stehen muss, denn die Karre hatte größte Mühe, Sandpiper über Steigungen zu ziehen…), lud meinen Bruder Hermann samt seinem Hund ein, holte den Trailer, der bei meinem Freund Heli in der Steiermark stand, und brauste gen Süden, der Sonne entgegen. Schon bei der ersten Steigung merkte ich, dass sich der Volvo mit dem leeren Trailer schwer tat. Na das kann ja heiter werden… Die Fahrt verlief, bis auf ein mörderisches Gewitter bei Nizza, ziemlich problemlos. Nur die unterschiedlichen Ausführungen der Mautstationen sorgten für einen erhöhten Adrenalinschub bei mir. Am seltsamsten fand ich jene Konstruktion in Frankreich, bei der man(n) eine Handvoll Münzen in einen halbrunden Kunststoffbehälter werfen musste, um den Schranken zu öffnen. Ach ja: Irgendwann bei einem Öffnungsvorgang machte der elektrische Fensterheber ein paar unanständige Geräusche - und nichts ging mehr. Bewegung soll ja beim Autofahren sowieso gesund sein, also zogen wir bei jeder Mautstation die Handbremse an, öffneten den Sicherheitsgurt und sprangen zur Überraschung aller Mautangestellten mit gezückter Geldbörse aus dem Wagen, um unseren Obolus zu entrichten…
In Carboneras machten wir uns dann bei herrlichem Wetter ein paar schöne Tage, wobei zu unserem Wohlfühlgefühl Chris + Familie + Freunde nicht unerheblich beitrugen. Danke nochmals dafür!
Obwohl in direktem Küstenbereich zwei oder drei große Industriebetriebe (mit Hafen) liegen, fand ich hier das sauberste Wasser und die größten Fischschwärme Spaniens vor, die ich bis dahin gesehen hatte. Leider war dort fischen und harpunieren streng verboten.
Das Verladen von Sandpiper verlief problemlos, als wir uns dann aber auf die Reise machten merkte ich sofort: Das wird eine lange Fahrt… Tatsächlich gelang es mir nicht, mehr als knapp achtzig Km/h an Spitzengeschwindigkeit zu erreichen. Da der Auspuffkrümmer während der Fahrt einen ca. zehn Zentimeter langen Riss bekommen hatte waren wir zwar langsam, aber dafür mit extrem sportlichem Sound (Das Dröhnen des Sechszylinders hatte ich noch lange in den Ohren) unterwegs. Allerdings nur bis zur spanisch – französischen Grenze, denn dort, auf einer Steigung in den Pyrenäen, begann plötzlich die Temperaturanzeige in den tiefroten Bereich zu wandern. Was ist denn jetzt schon wieder los? Ach, es war nur eine Kleinigkeit, der Kühlerflansch war gerissen, das Kühlwasser fand fast ungehindert seinen Weg ins Freie… Wir versuchten das Leck mit Bordmitteln abzudichten, was uns auch so leidlich gelang. Wasser hatten wir ja genug an Bord. Peinlich wurde es allerdings dann auf den Steigungen um Nizza, wo wir uns, sehr zum Ärger der Brummifahrer, mit knapp 30 Km/h waidwund hochkämpften. Hermann begann schon leicht zu schielen, da er sicherheitshalber ständig auf die Temperaturanzeige achtete. Spannend wurde es dann noch einmal in Österreich, als wir im Packtunnel in eine Nebelwand fuhren – und zwar in unsere eigene, da ein Kühlschlauch abgegangen war. Ich kümmerte mich nicht um eine eventuell defekt werdende Zylinderkopfdichtung, denn um nichts in der Welt wollte ich mit 2,2 Tonnen am Haken in einem Tunnel liegen bleiben, sondern fuhr beinhart bis zum Tunnelende weiter, wo ich eine geeignete Ausweiche fand. Wir füllten den Kühler (langsam, damit der Motorblock keinen Riss bekommt) mit kostbarem Mineralwasser auf und schafften so die Fahrt bis zum Ziel. Irgendwie war ich dann schon erleichtert, als Sandpiper sicher in der grünen Wiese stand! Diese 5200 Km werde ich wohl auch nicht so schnell vergessen…
Zu Spanien möchte ich noch anmerken, dass mir der Teil, den ich sehen durfte, sehr gut gefallen hat. Die Menschen sind freundlich, die Städte und Strände sauber und gepflegt, die Straßen in einem guten Zustand, das Warenangebot ist reichhaltig, von hoher Qualität und preisgünstig. Über die baulichen Missstände in den Touristenhochburgen schweige ich mich allerdings lieber aus…
Wie ging es dann weiter? Nun, als letzten Liebesdienst brachte ich mein braves Mädchen auf Hochglanz, servisierte den Motor (einschließlich eines neuen Impeller) gründlich, schliff und behandelte die Holzteile und bot Sandpiper dann zum Kauf an. Wie ich sie repräsentierte ist hier zu sehen: http://neptun22.jimdo.com/ (Nur die Kontaktadresse und den Preis habe ich entfernt). In kurzer Zeit fand sich ein Käufer, der mir einen sehr guten Preis bezahlte. Sandpiper wird sich nun (zumindest in der nächsten Saison) am Neusiedlersee (für nicht – Ösis: großer Steppensee im Osten Österreichs) von den Strapazen erholen können. Über den Winter steht sie geschützt in einer Halle, wo ich mich auch von ihr verabschiedete. Das allerdings fiel mir nicht ganz leicht, immerhin waren wir ein Jahr lang ein Dream -Team:
Von Kroatien aus segelten wir über Italien, Griechenland, Ägäis, Türkei, Zypern, Kreta, wieder Griechenland, Sizilien, Malta, Pantelleria, Tunesien, Sardinien und über die Balearen bis ans spanische Festland, wobei wir bis Carboneras kamen. Das ist dort, wo die spanische Festlandküste den scharfen Knick nach Westen macht. Dabei zogen wir eine 4500 Seemeilen lange Spur durch das uns nicht immer gut gesinnte Mittelmeer. Wir erlebten gemeinsam gute und schlechte Zeiten, wobei die Guten bei weitem überwogen. Wir legten uns mit präpotenten Fischern an, ärgerten uns über hirnlose Motorbootfahrer, erfreuten uns an den vielen herrlichen Backstagbrisen, legten gemeinsam die Ohren an, wenn es wieder einmal besonders arg kachelte, genossen die herrliche Landschaft und die Freundlichkeit der Menschen, denen wir unterwegs begegneten.
Mein Dank gilt einem kleinen, tapferen Boot, das sich mutig den Gefahren des Meeres stellte und mich sicher ans Ziel brachte. Mit meinem „hochseetüchtigen Kleinkreuzer“, wie ich Sandpiper liebevoll bezeichne, durfte ich die bisher aufregendste und schönste Zeit meines Lebens erleben – ein Jahr im Einklang mit der Natur und den Elementen.

Und, war das das Ende der „großen Reise“?? Nein, natürlich nicht! Ich bin nur auf der Suche nach einem größeren, hochseetauglichen Schiff! Diese Suche führte mich bisher (in charmanter Begleitung) zweimal an die Ostsee, einmal nach Holland und einmal (mit meinem Bruder) nach Kroatien. Bislang führten diese weiten Reisen allerdings nicht zum erwünschten Erfolg, da die Schilderungen der Eigner über die Zustände der Boote zu stark von der Realität abwichen…
Bis zum Frühjahr hoffe ich jedoch, ein geeignetes Schiff gefunden zu haben – und dann geht es wieder weiter, mit „Gerhards großer Reise“!!

Bis dahin wünsche ich allen frohe und besinnliche Weihnachten, sowie Glück und Gesundheit für das neue Jahr!