Ich will zeitig Auslaufen, Starkwind aus Westen ist angesagt. Diese Windrichtung passt genau in mein Konzept, also nichts wie los, weg aus diesem internetlosen Kaff! Doch leider, der Kapo ist nicht aufzufinden. Ich bin völlig alleine in dem umzäunten Hafengelände – nicht zu fassen. Ich wechsle von Genua auf Fock, binde das erste Reff ein und schere das Zweite ein, sichere den Buganker, mache Sandpiper starkwindfest. Der Kapo ist immer noch nicht da… Ich frage den vor dem Zaun die Straßenkehrenden Matrosen kontrollierenden Offizier, ob er vielleicht etwas über den Verbleib des Hafenkapos weiß? Das hätte ich lieber lassen sollen…. Der gute Mann setzt daraufhin nämlich alle Hebel in Bewegung, um mir zu helfen. Er telefoniert, jagt Matrosen zu den großen Trawlern um dort nachzufragen, bittet mich zum (sehr sauberen) Stützpunkt, berät sich dort mit anderen Offizieren, bietet mir Kaffee und Tee an. Mir ist der Wirbel schon ziemlich peinlich, den ich da heraufbeschworen habe… Es hilft aber alles nichts, der Mann bleibt unauffindbar. Auf die Frage, warum ich ihn denn überhaupt suche, antworte ich mit „Ich möchte meinen Liegeplatz bezahlen, damit ich auslaufen kann“ Daraufhin kriegen die Jungs große Augen und fragen mich, ob ich denn nicht wüsste, dass „Gale warning“ angesagt sei? Hä? Wieso Sturmwarnung? Die Vorhersage spricht von 22 Knoten Wind und max. 2m hohen Wellen. Das ist doch kein Sturm, oder? Für die türkische Küstenwache offensichtlich schon….Nachdem nun alle auf mich aufmerksam geworden sind, kann ich nicht ganz einfach abhauen. Ist ja auch nicht meine Art, aber um den herrlichen Wind ist ewig schade…. Ich bedanke mich ganz herzlich bei den hilfsbereiten Männern von der Küstenwache und beschließe, da ich offenbar nicht weg kann, die Burgruine Mamure zu besuchen:
Ich hatsche zu fuß dorthin, fünf staubige Kilometer auf einer vielbefahrenen Hauptverkehrsroute sind zu Bewältigen. Eine wirklich sehenswerte und mächtige Wehranlage mit Wassergraben, direkt am Meer gelegen, ist der Lohn dafür:
Sie liegt etwa 7km östlich von Anamur, hat drei Höfe und 39 (!!!) Türme. (ich habe nicht nachgezählt…) Angeblich wurde sie von den Römern im 3.Jhdt.n.Chr. erbaut, später von Byzantinern und Seldschucken erobert. Im Wassergraben rund um die Burg tummeln sich eine Vielzahl von Schildkröten. Obwohl als reiner Zweckbau gedacht, hat mich dieses Bauwerk ästhetisch doch sehr angesprochen und durch seine Größe und Mächtigkeit beeindruckt:
Zurück suche ich mir einen Pfad durch den Wald und stoße dabei zufällig auf einen schönen Weg, der mich auf halber Höhe des Bergrückens zurück zum Hafen führt:
Der Wald, der mich stark an meine Heimat erinnert, erstrahlt in voller Blütenpracht, seine vielfältigen Gerüche sind betörend. Die Luft ist rein, der Verkehr kaum hörbar, weit unter mir. Glücklich und zufrieden durchwandere ich diese wunderschöne Landschaft.
Zurück beim Schiff treffe ich endlich den Kapo, der gerade seine Schuhe putzt und sich dabei einen Sexfilm ansieht…. Ich bezahle meinen Liegeplatz (20,- Teuro für zwei Nächte….), wobei der Hafenkapo eine bemerkenswerte kleinkriminelle Energie an den Tag legt. Was der Knilch alles aufführt, nur damit er mir keine Rechnung ausstellen muss, ist sagenhaft. Mir ist schon klar, dass er meinen Obolus in seine eigene Tasche stecken will, nur zu leicht will ich es ihm auch nicht machen…
Dann bereite ich mich für den morgigen Tag vor, denn wieder ist Starkwind angesagt…