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Freitag, 24. April 2009

Von Bozyazi nach Yesilovacik

Die Motoren des Schiffes der Küstenwache wecken mich, das kurz darauf ausläuft. Windmäßig ist leider (noch…) absolut tote Hose. Na, wird schon werden! Die Verabschiedung vom Hafenkapo verläuft fast herzlich, dann bin ich wieder alleine auf See – Kurs Ost:


Die ersten sieben Meilen muss ich motoren, dann füllt ein leichter Wind meine Segel. Es wird ein herrlicher Segeltag! Der Wind legt langsam, aber kontinuierlich zu, Sandpiper wird immer schneller, ich freue mich, schließlich habe ich bis zum ersten Schutzhafen knapp 40 Seemeilen zurückzulegen! Als die Genua zu flattern beginnt, da der der Wind nach achtern gedreht hat, hole ich das Groß nieder und baume die Genua aus. Den halben Nachmittag rauschen wir so dahin, dann mache ich meinen alten Fehler: Ich habe wieder einmal die Grenze zwischen „Wau, ist das geil“ und „Mami, Hilfe!“ überschritten…. Der Autopilot schafft es nicht mehr, ich muss ran, um ein Querschlagen zu verhindern. Jetzt ist es natürlich fatal, dass die Genua ausgebaumt ist. Die Wellen werden immer höher, ich bewege mich schon des Öfteren über der Rumpfgeschwindigkeit. Es nützt alles nichts, ich muss nach vorne, den Ausbaumer abschlagen. Der Autopilot schafft es natürlich nicht, wir schlagen quer, ich habe am Vordeck alle Hände voll zu tun… Leicht geschlaucht denke ich dann im Cockpit über die nächsten Schritte nach. Die Genua muss schnellstens runter, das ist klar. In einiger Entfernung, schon in der großen Bucht von Yesilovacik, meinem geplanten Tagesziel, möchte ich im Lee einer kleinen Bucht das Segel bergen. Bis dahin wird es ein Extremritt. Das habe ich noch nicht erlebt: Das GPS zeigt mir einen Maximalspeed von 11,2 Knoten an!!!! Das gibt’s doch gar nicht!!! Auf den Wellen, auf denen ich dahinsurfe, gehen die Anzeigewerte des Gerätes öfters auf 8 bis 9 Knoten hoch!!! Ich kann es kaum glauben. Ich mag schon gar nicht mehr nach hinten schauen, was da herangerauscht kommt schaut mehr als bedrohlich aus. So hohe Wellen in Küstennähe! Meine Knöchel sind weiß, so fest führe ich die Pinne. Konzentriert versuche ich Sandpiper auf Kurs zu halten. Aus dem bisherigen Hochgefühl wird langsam Beklemmung…. So knapp vor dem Ziel in so eine Situation zu kommen! Nur weil es dir wieder einmal nicht schnell genug gehen konnte, du verdammter Speedjunkie… Die kleine Bucht kommt näher, es ist nicht mehr weit! Da passiert es – die Böe kommt so unerwartet und so heftig, dass es mich in den Lifebelt haut, Sandpiper luvt um 90 Grad an und legt sich flach, ich klammere mich an der Reling an, Wasser schießt über das Süll ins Cockpit, die Seekarte schwimmt plötzlich, mein Sonnenhut geht über Bord, unter Deck nimmt alles Ungesicherte wieder einmal blitzartig die stabile Seitenlage ein. Hoffentlich folgt jetzt keine zu große Welle, das könnte fatal werden. Endlich kriege ich die Schot aus der Klemme, Sandpiper richtet sich wieder auf. Der Schreck ist mir tief in die Glieder gefahren. Kaum habe ich Sandpiper wieder auf Kurs gebracht, faucht die nächste Böe heran. Fliegendes Wasser um mich herum, das gleiche Spiel noch mal – jetzt reichts mir aber! Ich stürme aufs Vordeck und hole das Segel runter, stopfe es durch die Luke ins Vorschiff. Seit der Geschichte vor Paros versuche ich ja gar nicht mehr, bei Starkwind ein Segel wegzurollen – das bringt nur Ärger… Zu meinem Erstaunen treibt nun Sandpiper ohne Segel mit einer Geschwindigkeit von knapp 4 Knoten (!!!) dem Ziel entgegen. Das am Heck quer hochgebundene Schlaucherl wird dabei kräftig mitgeholfen haben…. Sogar der Autopilot kann das Schiff so steuern. Ich lasse es dabei bewenden und erspare mir das Setzen der Sturmfock. So treiben wir vor Topp und Takel einem Hafen entgegen, von dem ich nicht weiß, was mich dort erwartet. Delfine tauchen kurz vor dem Ziel auf, spielen in den Wellen. Tut mir leid Freunde, heute keine Fotosession, mein Adrenalinspiegel ist noch zu hoch…..
Die Grundsee kurz vor der Einfahrt muss ich noch quer nehmen, kann mich aber nicht mehr schrecken, dann bin ich im ruhigen Wasser. Was ich sehe gefällt mir - ein großer Hafen mit viel freiem Platz:


Ich suche mir eine günstig erscheinende Anlegestelle - neiiin, dass waren nicht wir, der ist schon vor unserer Ankunft gesunken gewesen, Ehrenwort!



Freundliche Hände helfen mir beim Anlegen. Der Hafen ist sicher, kein Schwell, der Schutzwall ist ziemlich hoch. Mein Schiff wird leicht skeptisch begutachtet, leider kann hier niemand Englisch. Aber alle sind freundlich, das ist die Hauptsache.
Ich klare das Schiff auf, unter Deck ist nichts kaputt gegangen. Auch sonst ist alles in Ordnung, kein Segel gerissen. nur der Skipper ist wieder einmal ein bisschen gestaucht worden.
Danke, Sandpiper….

Etmal: 38sm, Position: N 36° 11,09’ / E 033° 39,56’