06:00 - Unangenehm scharrende Geräusche treiben mich blitzartig aus der Koje. Gerade jetzt, wo ich so schön träume!! (eine nur knapp bekleidete, hübsche Frau brachte mir mein Lieblingsessen ans Bett, gerade als sie mir ihre Telefonnummer geben wollte, weckt mich dieses Geräusch…) was ist denn jetzt schon wieder los?? Ich stürze ins Cockpit, natürlich regnet es, dunkle Wolken dräuen über mir. Meine Stimmung erreicht ihren historischen Tiefpunkt. Sandpiper steht an den verfluchten Kunststoffgebilden an, die Ankerkette reibt an ihnen und erzeugt dieses Geräusch!
Die Absperrung in der Marina Alanya:
Spinne ich schon komplett, ich und abgetrieben? Hier herrscht doch gar keine Strömung, kein Wind kann mich vertrieben haben, keine Wellen den Anker ausgerissen haben! Des Rätsels Lösung - in der Nacht hat der Wind gedreht, diese Kunststoffgebilde haben soviel Lose in ihrer Befestigung gehabt, das sie bis zu Sandpiper herantreiben konnten. Ich ignoriere erstmal die blöden Dinger, da ich aber schon munter bin mache ich mir gleich mal meinen Frühstückskaffee - soviel Zeit muss sein. Dann geht’s die paar Meilen rüber nach Alanya Ost, in den Stadthafen. Die gut erhaltene / teilrestaurierte Burg auf der großen Landzunge bietet bei der Überfahrt eine wunderschöne Kulisse.
Imposante Festungsmauern, Blick von See aus SW:
Ich drehe vorsichtig zwei Erkundungsrunden im Hafen und weiche den auf meinen Prop lauernden Leinen aus, bevor ich vorsichtig einen Platz zwischen zwei mittelgroßen Gulets ansteuere.
Stadthafen von Alanya:
Mitten im Anlegemanöver springen plötzlich von den beiden Schiffen Männer und übernehmen meine Leinen. Nachdem die dortige Kaimauer „Guletgerecht“ gebaut, sprich unerreichbar hoch für mich ist, habe ich ein Problem, von Bord zu kommen. Allerdings nicht lange, denn selbige Männer springen wieder von ihren Booten, holen Sandpiper dicht und kräftige Hände hieven mich auf die Kaimauer. Kaum festen Boden unter den Füssen werde ich mit Fragen überschüttet, alle stellen sich vor, schütteln mir die Hand und versichern mir, wenn ich Hilfe bräuchte – „no Problem, we help you, your welcome“! Ich fürchte, dass wird teuer… Offensichtlich bin ich hier der örtlichen Piratenorganisation schnurstracks in die Hände gelaufen. Zurück an Bord kann ich nicht, so weit und tief traue ich mich doch nicht zu springen – keine Problem, starke Arme hieven mich wieder auf Sandpiper zurück…. Nach einer Weile ruft einer der Piraten herüber, ob ich einen Kaffee will. Na gut, überredet. Ich werde wieder an Land gehievt – dieser Vorgang läuft zwischenzeitlich schon ziemlich flüssig, fast elegant ab. Der Oberpirat schnappt mich und entführt mich in den nahe gelegenen Basar, wo wir in einer finsteren Seitengasse unseren Kaffee schlürfen. Super gemacht, Gerhard, denke ich mir insgeheim, während ich hier sitze wird Sandpiper wohl gerade ausgeräumt…. Als ich Bezahlen will, übernimmt der Oberpirat die Zeche, lässt sich nicht davon Abhalten. Nach der Rückkehr werde ich wieder an Bord gehievt, nichts fehlt. Einer hantiert auf der Mauer mit einem Wasserschlauch, ich frage ihn (vom Schiff aus…) ob man dieses Wasser trinken könne? Die Frage wird bejaht und sofort beeilen sich zwei Männer, den Schlauch zu mir zu verlegen, damit ich meinen Tank füllen kann. Kein Mensch will dafür Geld von mir. Sagt mal, was ist hier eigentlich los? Ist meine Mutation zum Schmuse – Ösi oder Voralpen - Kuschler bereits abgeschlossen? Wieso bin ich auf einmal der „lovely austrian“? Ich verstehe die Welt nicht mehr.
Ich entwickle eine Technik, mit der ich unter Einsatz des Schlaucherls und etwas Akrobatik (man will ja dem anwesenden Publikum was bieten), ohne fremde Hilfe an und von Bord kommen kann. Ich hänge ein paar Wäschestücke auf und wandere die Burg besichtigen.
Burgruine von Alanya, doppelte Festungsmauern:
Reste einer byzantinischen Kirche in der Burgruine von Alanya:
Die Aussicht von dort oben war grandios. Hier bei Alanya rücken die Berge wieder bis an die Küste heran, auf ihren Gipfeln liegt immer noch Schnee. Das war zwar ein ganz schöner Hatscher, hat aber meiner Beinmuskulatur gut getan. Mittendrin fängt es zu regnen an. Ich natürlich keinen Regenschutz mit, wie immer. Als ich zum Schiff zurückkomme, ist die Wäsche verschwunden. Ha, ihr Schurken, wußt ich’s doch, auf meine Socken hattet ihr es also abgesehen! Aber einer der verhinderten Strandräuber erklärt mir so nebenbei, als es zu regnen begann hätten sie Sandpiper geentert, und die Wäsche abgenommen, da sie ja schon fast trocken war…. Schön langsam wird mir die Sache unheimlich. Als ich mich für ihre Arbeit und Lebensumstände interessiere, war das der Beginn einer interessanten und langen, in Deutsch / Englisch geführten Diskussion.
Am Abend leiste ich mir wieder ein gutes Fischgericht in einem sehr angenehmen Ambiente. Bei dieser Gelegenheit besorge ich mir gleich den Internetcode des Restaurants, um dann am Schiff meinen Blog aktualisieren zu können. Sandpiper sperrte ich schon gar nicht mehr ab….
Etmal: 5,5 sm, Position: N 36° 32,44’ / E 032° 00,03’