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Montag, 11. Mai 2009

3. Tag auf See

Die Nacht verläuft problemlos. Die See wird etwas ruppig, der Wind frischt ein bisschen auf, ich kann mit 3-4 Knoten segeln, allerdings nicht ganz den Kurs, den ich müsste. Kein Schiff, kein Licht ist zu sehen. Einsam zieht Sandpiper seine Bahn, seinem fernen Ziel entgegen.
Im Morgengrauen sitzt mein gefiederter Gefährte auf der Pinne und plustert sein Gefieder auf. Als die Sonne aufging ließ er sich von ihr ein bisschen aufwärmen und flog dann fort. Weißt du überhaupt, in welche Richtung du musst, kleiner Vogel? Es ist so weit zum Land! Wärst du doch hier geblieben, hier warst du doch in Sicherheit! Hoffentlich schaffst du es. Ich weiß, das Lied der Freiheit klingt in dir und zog dich fort. So wie es mich immer wieder weiterzieht….

Als ich im Cockpit gemütlich herumlungernd gerade beim zweiten Frühstückskaffee angelangt bin steckt mein ständiger Begleiter, der Klabautermann, seinen Kopf aus dem Niedergang, sieht sich verschlafen um und meint erschreckt:
„Um Gottes Willen, kein Land in Sicht, hast du dich wieder einmal verfahren?“
Ich und verfahren? Unmöglich, die Amis haben ihr GPS System doch nicht abgeschaltet!
„Wo sind wir denn hier überhaupt?“
Auf dem Meer, oder glaubst du, ich habe Sandpiper auf den Neusiedlersee gebeamt?
„Idiot, wohin fahren wir denn?“
Nach Kreta.
„Was?? Spinnst du schon komplett? Wir waren doch gerade erst in Zypern! Was willst du denn auf Kreta?“
Kultur erleben, wandern, laufen, Rad fahren, usw. Kreta ist schließlich die größte griechische Insel, die fünftgrößte des ganzen Mittelmeeres, da wird sicherlich einiges geboten. Übrigens kommen die Laimers auch hin. Ein Treffen mit den Beiden wäre doch was, oder?
„Du mit deinen Aktivitäten! Bist du ein Spontanhektiker oder wie? Und wenn wir so weiterdümpeln wird es mit einem Treffen sowieso nichts! Wie weit ist es eigentlich noch?“
Ein paar Tage noch. Kommt auf den Wind an.
„Waas??? Ich entziehe dir gleich die Lizenz zum Segeln! Ich will gemütlich auf einem Barhocker lümmeln! Ein kühles Blondes vor mir und eine schöne Blonde neben mir! Nicht in dieser Rumpelkiste hilflos am Meer herumirren!“
Sei nicht so ungeduldig, Sandpiper ist nun mal nicht das Schnellste.
„Nicht das Schnellste? Soll das ein Witz sein? Ein Bund Stroh treibt schneller als wir segeln! Was scheppert da eigentlich immer im Kielbereich? Fürs unkontrollierte Scheppern bin doch ich zuständig!“
Das ist das Schwert. Dem Konstrukteur ist leider nichts Besseres dazu eingefallen.
„Aha. Was machst du da eigentlich?“
Ich lerne englisch. Ich wiederhole gerade die Personal pronouns – solltest du auch tun.
„Englisch?? Du solltest stattdessen lieber kochen lernen! Denn das was du kochen nennst ist ein unter Zuhilfenahme von Wärmezufuhr intuitives Zusammenmixen von dem was dir gerade in die Hände fällt! Manchmal wird das Ganze noch dazu am Fußboden serviert!“
Nörgle da nicht rum, mach lieber was Gescheites. Geschirrabwaschen zum Beispiel.
„Ich bin ein Klabautermann, der macht nie was Gescheites!“
Sprachs, drehte sich um und verschwand wieder im Niedergang…

Am Abend, als ich im Vorschiff etwas suche, trifft es mich unvorbereitet wie eine Faust in den Magen: Mein gefiederter Gefährte, den ich schon weit weg glaubte, liegt tot vor mir. Wahrscheinlich vor Erschöpfung gestorben; sein kleines Herz hatte einfach aufgehört zu schlagen. Bei seiner letzten Reise über Bord kippte dann bei mir die Stimmung, ich musste einfach drauflos heulen…. War dann der andere Vogel vielleicht sein Gefährte? Hat er auf ihn gewartet? Ich weiß es nicht…
Nicht einmal der grandiose Sonnenuntergang konnte mich aus meiner traurigen Stimmung reißen, der blöde Wind will und will auch nicht drehen. Wenn es so weitergeht, wird es nichts mit einem Treffen mit den Laimers. 215° kann ich anliegen, 275° bräuchte ich…

Etmal (um Mitternacht): 98sm (gesamt: 193sm), Position: N 34° 51,22’ / E 030° 29,78’