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Mittwoch, 13. Mai 2009

5. Tag auf See

Die Nacht verläuft problemlos, ich konnte durchsegeln. Wieder beginnt der Tag mit einem strahlend blauen Himmel. Mit dem Hochsteigen der Sonne wird der Wind schwächer.
Um 08:30 bin ich auf Kollisionskurs mit dem Biggi „Lady Laila“. Ich bereite mich auf ein Ausweichmanöver vor, obwohl ich Wegerecht habe. Da bemerke ich, dass das Biggi seinen Kurs ändert, es läuft in einem anständigen Abstand an meinem Heck vorbei. Von der Brücke aus werde ich mit einem Fernglas beobachtet. Ich winke dankend hinüber, mein Gruß wird freundlich erwidert. Allzeit gute Fahrt, „Lady Laila“!
Um 08:40, nach 95 Stunden Fahrzeit habe ich 300sm hinter mich gebracht. Bis an die Ostküste Kretas sind es immer noch 130sm. Verdammtes Kreuzen gegen den Wind….

Ich bin gerade am Vorschiff beschäftigt, als die Luke aufgeht und der Klabautermann verschlafen herausmault:
„Was machst du da? Warum trampelst du wie ein Irrer im Morgengrauen am Vorschiff herum und jaulst dabei, als wenn dir wer kräftig in den Hintern getreten hätte?“
Ich trample nicht herum, ich tanze. Sieht man doch, oder? Ich jaule auch nicht, ich singe. Hört man doch, oder? Außerdem ist es schon 8 Uhr und die Sonne scheint!
„Tanzen? Singen? Und das nackt? Sag mal, was für ein Zeug rauchst du eigentlich?“
Ich rauche nicht, das weißt du doch. Außerdem tanze ich nicht zum Vergnügen. Das ist der „Tanz der der sieben Winde“. Es weht nämlich kein Wind, ich bräuchte aber selbigen dringend zum Segeln, weißt du?
„Wo hast du denn diesen Schwachsinn her?“
Aus dem Film „Der mit dem Wolf tanzt“
„Blödmann, das war doch ein Regentanz!“
Darum funktioniert es also nicht!
„Hör endlich auf mit diesem unästhetischen Rumgehüpfe. Mach endlich Frühstück. Was gibt es denn heute?“
Polenta. Maisgrieß in süßer Milch zu einem leckeren Brei aufgekocht, mit Honig und Rosinen fein abgeschmeckt. Dazu Kaffee soviel du möchtest.
„Du meinst dieses grausliche Zeug, dass schon unsere Vorfahren nur in Kriegszeiten und in äußerster Not zu sich nahmen? Hilfe! Ich halte das nicht mehr länger aus! Ich suche mir ein anderes Schiff, diese kulinarische Einöde ist ja nicht zum Aushalten! Nicht einmal für einen Klabautermann!“
Sprachs und verschwand wieder im Vorschiff…

Es geht weiterhin sehr zäh dahin. Das Baro zeigt seit Tagen einen waagerechten Strich auf dem Display an, das Meer ist fast unbewegt. Schön langsam komme ich mir vor wie Jason auf der Suche nach dem goldenen Vlies. Nur habe ich keine Argonauten dabei. Oder wie Odysseus, der irrte ja auch jahrelang über das Mittelmeer….
Mein GPS kann die zurückgelegte Fahrzeit nur bis 99:99:99 (??) anzeigen. Irgendwie blöd, wenn man so wie ich längere Strecken zurücklegt….
Bei dieser Überfahrt macht sich die Anschaffung des von Michi empfohlenen AIS – Radarwarngerätes äußerst positiv bemerkbar. Bis auf eine türkische Schnellfähre, die mit 25 Knoten angerauscht kam, haben alle Biggis ein AIS Signal ausgesendet. So konnte ich einen möglichen Kollisionskurs frühzeitig erkennen und entsprechend reagieren. Auch meine Schlafeinheiten kann ich relativ entspannt absolvieren, da mich beim Herannahen eines Biggis das Gerät zuverlässig akustisch weckt.
Wieder frischt es am Abend auf, wieder stimmt die Windrichtung nicht. Wenigstens geht was weiter….

Etmal (um Mitternacht): 72sm (gesamt: 344sm), Position: N 35°04,76’ / E 028°29,03’
110 Stunden und 15 Minuten unterwegs.