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Sonntag, 3. Mai 2009

Von Tasucu nach Zypern

03:00 – Ein verschlafener Skipper steckt seine Nase aus der Kajüte, diese registriert null Wind. Verdammt, ich hab doch nur diesen einen Tag als Wetterfenster, dann kommt das Italientief mit Starkwind und es dreht wieder auf West und ich sitze hier fest! Ein frustrierter Skipper legt sich wieder aufs Ohr.
06:30 – Ein leichtes Säuseln in den Wanten lässt den Skipper aufwachen. Es wird doch nicht… Doch, ganz leicht zwar, aber aus der richtigen Richtung. Jetzt oder nie. Es wird also wieder einmal eine Nachtankunft….
07:15 – Sandpiper will auslaufen, kann aber nicht, da der Anker wie einbetoniert hält. Kurzstag und hoch und nieder helfen nicht, Skipper beginnt leicht zu transpirieren.
07:20 – Wo rohe Kräfte sinnlos walten – der brutale Skipper bricht den Anker mit Motorkraft aus und holt mit diesem gleich geschätzte 10Kg Mergel (oder Ton) mit an die Wasseroberfläche.
07:30 – Sandpiper kann endlich auslaufen! Den Blister ohne Groß gesetzt, da ganz wenig Wind. Kurs 205 Grad liegt an, ca. 65sm voraus liegt das Ziel – Girne auf Zypern!
09:00 – Wind frischt auf, Sandpiper erreicht nur unter Blister Rumpfgeschwindigkeit.
09:15 – Sandpiper läuft aus dem Ruder, beim Bergen des Blisters geht dieser über Bord. Der Skipper schwört, in Zukunft den Blister immer in Verbindung mit dem Groß zu fahren und ihn immer in der Windabdeckung desselben zu bergen.
09:25 – High aspect Fock und 1. Reff im Groß.
10:00 – Boahhh, ist das geil!!!!
11:00 – 1. Reff ausgeschüttelt.
12:15 – Muss dieser komische Bananendampfer so knapp vor mir vorbeifahren??
13:30 – Skipper hat Hunger, eine Dose Thunfisch, eine Orange und drei Esslöffel Haselnussnougat halten ihn bei Laune.
14:30 – Skipper legt sich in die Koje, Sandpiper macht den Job alleine weiter.
15:00 – Das AIS (Radarwarngerät) gibt Laut, reißt den dösenden Skipper aus seinen wilden Träumen. die Schnellfähre Tasucu – Girne rauscht von hinten mit 25 Knoten heran.
15:30 - High aspect Fock eingerollt, Blister gesetzt.
16:00 – Die Küste Zyperns taucht im Dunst auf. Juhu!
Falls jemand nicht weiß, wie die Flagge von Nordzypern aussieht:


16:30 – Die Moral an Bord verfällt zusehends: Der Skipper bindet sich sein Stirnband um und beginnt laut „born to be wild“ zu singen. Er erinnert sich an die Zeit, als auf seinem Sturzhelm geschrieben stand: „Lieber tot als langsam“ – und das mit einem KTM – Moped „Ponny 2“….
17:00 – Blister zum Spinnaker umfunktioniert.
17:30 – Sandpiper läuft aus dem Ruder, Wasser im Cockpit. Skipper steuert mit der Hand, bis ihm der Adrenalinkick dann doch zu viel wird.
17:45 – Blister im Windschatten des Groß ohne Probleme geborgen, High aspect Fock ausgerollt.
19:00 - Langsam bricht die Dämmerung herein, ich bereite Sandpiper und mich für die Nachtfahrt vor. Die Stimmung an Bord ist hervorragend, das Abendessen kärglich…

In der Nacht macht es sich bezahlt, dass meine Windex von der im Masttopp montierten Dreifarbenlaterne angeleuchtet wird. So kann ich ohne Probleme den Winkel des scheinbaren Windeinfalles kontrollieren. Wir wieseln durch die Nacht, sind mutterseelenallein am Meer. Wer glaubt dass es sich bei der Nordzypriotischen Küste um eine menschenleere handelt, täuscht sich. Zumindest um den Bereich Girne herum begrüßt mich ein Lichtermeer. Dieses macht die Ansteuerung nicht einfacher, da es die Hafenfeuer überstrahlt… Es beginnt zu regnen, ich verziehe mich nach einem sorgfältigen Rundumblick unter Deck, kontrolliere Sandpipers Kurs am Laptop und korrigiere diesen mit der Fernsteuerung des Autopiloten – wunderbare Welt der Technik!
21:30 - Der Regen hat aufgehört, der Mond, knapp dreiviertel voll, beleuchtet nun geheimnisvoll die Szene, Sandpipers kurzlebige Schaumspur verliert sich in der Finsternis.
22:00 - Die Ansteuerung der Delta Marine Girne verläuft problemlos, nach einer Hafenrunde fängt mich das Marinapersonal mit einem Motorboot ab, lotst mich an den gut abgefenderten Zollsteg.
22:30 – Sandpiper legt sachte an, wir sind gut in Zypern angekommen!

Ich soll das Gelände nicht verlassen, bevor der Zoll und die Polizei bei mir waren. Die kommen um Mitternacht (!!!) und fahren mich mit dem Pkw in ihr Büro. Dabei lerne ich zum ersten Male Linksverkehr hautnah kennen. Ja, in Zypern wird links gefahren! Die Beamten sind trotz der mitternächtlichen Stunde freundlich und zuvorkommend. Obwohl Sonntag, entstehen mir keine Kosten. Ich bekomme keinen Visumstempel sondern nur ein Visum - Einlegeblatt, um bei einer eventuellen Einreise in den griechischen Teil Zyperns keine Probleme zu bekommen. An Bord zurückgekehrt sinkt ein müder aber glücklicher Skipper in seine Koje, ein herrlicher Segeltag hat ein gutes Ende gefunden!
Fahrzeit: 15 Stunden! – davon nur 1,5sm Motorfahrt (Ausfahrt Hafen Tasucu, Ankunft Hafen Girne)

Etmal: 67,5sm, Position: N 35° 20,47’ / E 033° 19,95’