Wie schnell doch die Zeit vergeht, schon
wieder ist ein Jahr um. Es wäre an sich ein sehr schönes geworden, aber leider wurde
der Tod unserer Mutter sein trauriger Höhepunkt. Obwohl sie ein hohes Alter in
geistiger Frische erreichte, schmerzt ihr Verlust nach wie vor. An dieser
Stelle möchte ich mich bei meinem „großen“ Bruder bedanken, der die traurige Pflicht
einer standesgemäßen Grablegung alleine bewältigen musste und mich zusätzlich noch
nach Kräften aus der fernen Heimat unterstützt. Danke, Hermann!
Dazu gleich noch folgendes: Warum aktualisiere
ich eigentlich nur mehr so selten meinen Blog? Ich schrieb ihn hauptsächlich
für meine Mutter, damit sie wusste, was ihr Zweitgeborener so alles treibt. Mit
ihrem Tod ist dieser Schreibantrieb vorbei. Daher werde ich besagten Blog auch
nur mehr mit den wirklich großen Abschnitten oder erwähnenswerten Ereignissen weiterführen,
mein Leben vor Anker interessiert ja außerdem eh niemanden – und wenn jemand
Trost und Rat brauchen sollte, etwas Spenden oder wissen will, meine E-Mail
Adresse steht ja im Impressum…
Als positiven Höhepunkt des Jahres betrachte
ich meine neuen Zähne. Ich weiß, ich wiederhole mich, aber mit hübschen
Beißerchen lebt es sich gleich viel, viel angenehmer. Nicht nur, dass mir ein
zähes Stück Fleisch nun keinen Schreck mehr einjagt, auch die Mädels in der
Stadt kann ich wieder frech anlachen, ohne dass sie vor Entsetzen laut
schreiend davonlaufen. Allerdings, wenn ich an das Loch denke, welches durch
die Zahnsanierung in die Bordkassa gerissen wurde, vergeht mir das Lachen
schnell wieder…
Übrigens: An alle, die beim Ratespiel
mitgemacht haben: Danke fürs Mitspielen, aber ihr wart alle gaaaanz weit
daneben – die richtige Antwort wäre gewesen: 21 Kronen!! (in Worten:
einundzwanzig…)
Was tut sich sonst, und wieso bin ich
eigentlich noch hier? Ganz einfach, Ich werde die Zyklonsaison hier verbringen.
Es gefällt mir hier sehr gut, die Menschen sind (meistens zumindest…) freundlich,
die Lebenshaltungskosten erfreulich niedrig, das Wetter ist angenehm und gute
Tauchgründe gibt es in Hülle und Fülle. Nur vor den unzähligen und oft schlecht
kartographierten Riffen heißt es sich in Acht nehmen. Zudem habe ich – dank
Hans & Judy – kostenlosen Zugang zu zwei starken Murings in der Nähe von
Lautoka bekommen, die ich, je nach vorherrschender Windrichtung, benutzen darf.
So liege ich sicher und kann auch bei den starken Winden, die nun öfters
auftreten, beruhigt sein. Hans wird heuer übrigens 83 (!!!), und macht mir beim
Tauchen (hier bei der Kontrolle meiner Muring), immer noch was vor. Noch dazu
mit einer Ausrüstung, die ihre beste Zeit wahrscheinlich kurz nach dem großen
vaterländischen Krieg gehabt hat…
Zudem habe ich ein sicheres (soweit man von
Sicherheit überhaupt sprechen kann, denn wenn so etwas über diese Gegend hinweg
ziehen sollte wie auf den Philippinen - Taifun "Haiyan" -, dann gute
Nacht...) „Zyklonhole“ gefunden: In der Nähe von Lautoka, der drittgrößten
Stadt Fijis, kaum eine Seemeile von meinen Murings entfernt, gibt es einen von
Mangroven umsäumten, schiffbaren Fluss – eigentlich ist es ja ein Meeresarm mit
einem Bächlein als Zulauf, in dem ich bei drohender Gefahr Najadchen verholen
werde. Die Moskitos werden sich bestimmt freuen, wenn wir kommen! Hans &
Judy, die mit ihrem Stahlschiff „Maluhia“ schon etliche Saisonen auf diesen
Platz ohne Schaden überstanden haben (auch den letztjährigen Zyklon
"Evan", der genau über diese Gegend zog), zeigten mir den etwas
gefinkelten Weg über die Barre des Flusses sowie das Prozedere und die Tricks
für ein sicheres Vertäuen in demselben. Das Bild zeigt besagtes „Zyklonhole“,
die blaue Linie ist die Trackaufzeichnung, als wir die Bedingungen mit dem
Dinghy erkundeten und die Tiefen ausloteten. Gaaaanz rechts, im letzten Eck, dass wird unser Plätzchen:
Die ausländischen Yachten sind nun Großteils
bereits verschwunden, haben ihre weite Reise in hoffentlich sichere Gegenden
angetreten. Auch sonst ist es hier ziemlich einsam geworden, in der Stadt sieht
man kaum mehr "Palangis", wie wir Weißen hier genannt werden.
Kurz noch etwas zum Begriff „Zyklon“. (Ist
griechischen Herkunft und bedeutet soviel wie Kreis = „kyklos“): Die südwestpazifische
Zyklonsaison ist der Zeitraum des Jahres, in dem sich die meisten tropischen
Wirbelstürme im Südpazifik östlich von 160° östlicher Länge bilden. Die Saison
startet offiziell am 1. November und endet am 30. April des folgenden Jahres. (Obwohl
man das meiner Meinung nach bei den Wetterkapriolen der letzten Jahre gar nicht
mehr so sicher sagen kann - es verschiebt sich alles, und das natürlich
unkontrolliert…). Statistisch wird die Inselgruppe von Fiji in 10 Jahren von 10
bis 12 Wirbelstürmen betroffen, wovon 2 bis 3 schwere Schäden verursachen. Noch
dazu ist angeblich das Wasser im Südpazifik heuer sehr warm, dadurch steigt die
Gefahr zusätzlich. Na bravo, schöne Aussichten…
Und wie geht es Najadchen? An sich ganz gut,
die lange Reise erfordert aber doch schon beträchtliche Renovierungsarbeiten, besonders
die Segel, Leinen und die Matratzen zeigen starke Abnutzungserscheinungen. (Um
etwaige frivole Gedanken gleich mal hintan zu halten: Die Abnützung der Matratzen
steht nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit Bordbesuchen der weiblichen
Inselbevölkerung...) Die Anschaffung einer Nähmaschine hat sich für die
Segelreparaturen und auch sonst als äußerst sinnvolle Investition erwiesen, ich
möchte dieses praktische Ding keinesfalls mehr missen!
Das Gelcot und die Holzteile schreien ebenfalls
um Hilfe, das Antifouling ist nur mehr rudimentär vorhanden. Tauchen und
Handarbeit sind daher vermehrt angesagt. Ziemliche Probleme bereitet mir allerdings
mein Dinghy: Bei meiner Rückkehr von einem städtischen Einkaufsbummel fand ich eines
Tages kein Dinghy, sondern nur mehr einen sich gerade noch über Wasser
haltenden PVC - Haufen vor. Was war geschehen? Eine Klebenaht hat dem (eh
schwächlichen) Innendruck nicht mehr standhalten können und hat w.o. gegeben. Na
bravo, von wegen "Zweikammersystem". Die Zwischenwand hat sich auch
gelöst.... Ein Taxiboot musste organisiert werden, um trockenen Fußes wieder zu
Najadchen zu kommen. Wieder 10 F$ für A & F... Interessant (für
Außenstehende) war dann sicherlich die folgende Aktion, als ich mit dem
Resevedinghy (klein, tarngrün und kippelig) das eher formlose Dinghywrack zum
Basisschiff schleppte. Rudern, Schwell und Gegenwind, kleiner
Schlauchdurchmesser und ich. Welten prallen aneinander... Ein gewisser E.
Hemingway hätte seine Freude gehabt: Der alte Mann und das Meer...
Überhaupt ist (wie eh allseits bekannt) ein
PVC - Gewebe als Schlauchbootmaterial für die Tropen ungeeignet. Es wird dünn
und brüchig. Zudem: Hier in einer versorgungsmäßigen Entwicklungszone einen
wirklich guten Kleber zu finden ist eine Odyssee für sich, aber ich hoffe doch
stark, dass sich der Aufwand gelohnt hat und ich den Gummiwutzler noch einige
Zeit lang nutzen kann. Das Kleben bei Wind und starker Sonneneinstrahlung (sollte
man nicht, ich weiß…) war dann auch „besonders lustig“… Wie sagte einmal ein
bekannter Segler: "Man repariert sich so um die Welt" Dem kann ich
nur leidvoll zustimmen. Sonne, Wind und Salzwasser fordern nun mal ihren
Tribut!
Obwohl es mich im Prinzip ja nichts angeht macht mich der Umgang der dafür Zuständigen
mit den Ressourcen dieses Landes ziemlich wucki: Große Teile der Wälder werden im
brutalen Kahlschlagverfahren zu Hackschnitzel verarbeitet, in riesigen Haufen
zwischengelagert und dann lose per Schiff nach Japan, zur dortigen Zelluloseerzeugung,
abtransportiert.
Die Zuckerindustrie, ebenfalls eines der
großen wirtschaftlichen Standbeine Fijis, ist fast noch ärger: Die
prähistorischen Fabrikationsanlagen erzeugen einen ungefilterten Schadstoffausstoß,
der jenseits des Vorstellungsvermögens eines durchschnittlichen Mitteleuropäers
liegt. Zudem werden die abgeernteten Zuckerrohrfelder durch die Bank abgebrannt
– ein Wahnsinn für die Umwelt und Gesundheit – bei Windstille und
Inversionslage verschwinden ganze Landstriche unter einer Rauchdecke:
Während in Europa viel getan wird, um den
Schadstoffausstoß von Verbrennungskraftmaschinen zu verringern, laufen hier die
Aggregate der teilweise antiken Tank- und Frachtschiffe Tag und Nacht, wobei
deren Auspuffschwaden nichts Gutes verheißen – besonders krass sichtbar wird der
erhöhte Schadstoffausstoß, wenn die Schiffsmotoren von Diesel- auf Schweröl
umgeschaltet werden. Zudem plündert eine hier stationierte asiatische
Fangflotte, die unter der Flagge eines hiesigen Inselstaates operiert, die
Fanggründe der Umgebung – was die alleine hier in Lautoka an Thunfischen
anliefern, ist gewaltig.
Inwieweit der Fremdenverkehr die Umwelt negativ
beeinflusst kann ich nicht beurteilen – er ist jedenfalls ein weiteres, ganz
wichtiges Standbein zur Erhöhung des Bruttosozialproduktes des Inselstaates, wo
in abgeschirmten Ressorts den zahlungskräftigen Touristen eine heile Welt
vorgegaukelt wird, in der die einheimischen Mädchen mit halben Kokusnussschalen
- als „traditionellen“ Büstenhalter - herumlaufen und diese widerliche Brühe
namens „Kava“ als Kulturgut verkauft wird. Zudem ist der gewöhnliche Fijianer
eine richtige Drecksau. Anders kann man das nicht bezeichnen. Alles, aber auch
wirklich alles, was nicht mehr benötigt wird, wird entweder ins Meer oder am
Wegesrand entsorgt. Es ist unbeschreiblich, was ich bei meinen Radtouren und
auf dem Meer schwimmend so alles sehen muss – aber lassen wir das lieber, ich
will ja niemanden den Appetit verderben. Vielleicht sind ja nur die mangelnden
Müllentsorgungsmöglichkeiten schuld daran, oder der nötige
Sensibilisierungsprozess hat noch nicht eingesetzt, wer weiß das schon… Doch die
Menschen sind im Allgemeinen freundlich und lebenslustig, eigentlich sind sie,
vor allem der melanesische Bevölkerungsanteil, oft als einfach gestrickte,
große Kinder zu betrachten, während der indische Bevölkerungsanteil eher der geschäftstüchtigere, umtriebigere ist
– und wie bereits schon früher einmal erwähnt: Alle lieben ihre Kinder, was sie
mir sehr sympathisch macht. Leider feiert aber die Bürokratie hier fröhliche
Urstände. Nur ein Beispiel, meine anstehende Visumverlängerung: Dieses wurde
mir von der Immigration in Nadi am Airport um ein ganzes Jahr verlängert, gekostet
hatte es mich 477,- F$ und ein Foto. In Lautoka hätte ich nur eine Verlängerung
um ein halbes Jahr bekommen, dafür aber 660,- F$ löhnen müssen. Eine ärztliche
Untersuchung und ein polizeiliches Führungszeugnis, beides natürlich
kostenpflichtig, wäre zusätzlich notwendig gewesen. Ich sag lieber nix mehr,
sonst reg’ ich mich nur unnötig auf…
Ansonsten lebt der Großteil der Bevölkerung,
wie alle Menschen in den so genannten „Südseeparadiesen“, in der
spannungsgeladenen Konfliktsituation zwischen Tradition und Moderne: Handy und
Internet sind allgegenwärtig, die fehlenden Infrastrukturen und archaische
Behausungen allerdings auch…
Manche, und das sind beileibe keine
Einzelfälle, wagen sich in ihrer Not mit Schwimmhilfen aufs Meer, mit denen ich
nicht einmal in einem geschützten Swimmingpool angstfrei rumpaddeln würde:
Für die betuchten Touristen gibt es natürlich
so etwas…
Auffällig ist das völlige Fehlen von Mopeds
und Motorrädern, auch Radfahrer sind im Straßenverkehr eine absolute Rarität.
Klar, bei den vorherrschenden Straßenverhältnissen, wenn man die Fahrkünste der
Einheimischen und den technischen Zustand ihrer Fahrzeuge in Betracht zieht,
ist es irgendwie auch verständlich. Nur so verrückte „Palangis“ wie ich
schlängeln sich keuchend durch das Gewühl, in dem eine einfache archaische
Regel fast jede Ampel oder sonstige neuzeitliche Regelung außer Kraft setzt:
Der Stärkere hat Vorfahrt. Das spart Kosten und ist für jedermann leicht
verständlich. Allerdings kommt es manchmal schon zu erhitzten Debatten, wer den
nun der „Stärkere“ sei… Erstaunlicherweise nehmen jedoch die meisten Autofahrer
Rücksicht und lassen mich, wenn auch manchmal nur knapp, am Leben. Obwohl ich
schon ab und zu, eher unwillig und unfreiwillig, mal auf das Bankett, welches
meistens auf einem anderen Niveau liegt und mit übergroßen Schlaglöchern
übersät ist, abbiegen muss, wenn mich so ein altersschwacher, aber dafür
überladener und überbreiter Zuckerrohrtranporter auf einer engen Strasse
überholen will - was mir dessen Fahrer meistens auch durch hartnäckiges Betätigen
seines Signalhornes nachdrücklich andeutet. Normalerweise werde ich bei so
einem Geräusch schlagartig bockig, aber der gesunde Überlebenstrieb ist zum
Glück übermächtig… Wesentlich ärgerlicher sind da schon die örtlichen Hunde. So
lästig wie hier habe diese noch nirgends woanders erlebt. Einem Radfahrer
dürften die Meisten von Ihnen noch nie begegnet sein, noch dazu ein
Bleichgesicht! Also auf ihn mit wütendem Gebell, gemeinsam sind wir stark!
Allerdings können sie noch nicht wissen, wie schnell ich von meinem Rad herunter
bin und wie treffsicher ich Steine schleudern kann. Ich suche mir immer den
größten Kläffer heraus, dem jage ich dann mit Steinwürfen und mit einem ca. einen
Meter langen, 3- poligem Stromkabel bewaffnet, welches sich als sehr wirksame Hunde - Abwehrwaffe
herausgestellt hat, hinterher. So haben wir alle unseren Spaß und bringen etwas
Abwechslung in unser ach so tristes Leben...
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Abendstimmung am Liegeplatz |
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Ansonsten ist bei mir alles im „grünen
Bereich“, wie ich einen Zustand ohne allzu große Probleme gerne beschreibe. Wie
es weitergeht? Warten wir einmal die Zyklonsaison ab, dann werden wir ja weitersehen!
Bis dahin wünsche ich Euch allen alles Gute,
Glück und Gesundheit für das neue Jahr!